Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
Schottenmuster, dieselben Sachen, mit denen sie an Bord gekommen waren, nur dass die Farben an Frische verloren hatten. Auch die Bräune der Männer war verblasst, und ihre Augenwinkel bekamen erste Krähenfüßchen. Die Musik war dieselbe wie immer: die heitere interplanetare Reggae-Mischung, bekannt als Friedliche Koexistenz der Rassen .
    »Hast du das gelesen?«, fragte Kyndal auf ihr Set deutend. »10 DINGE, DIE WIR UNBEDINGT ÜBER KÄPT’N JUTE WISSEN SOLLTEN.«
    »Hab ich gelesen«, sagte ihr Freund beim Salzen seines Kebabs. »Solche Sachen stehen überall.«

    »Sie war elfmal im Gefängnis«, las Kyndal. »Hab ich nie gewusst.«
    Kyndal und Mick kamen von der Erde, aus Queensland, wo sie noch als ganz junge Erwachsene gelebt hatten. Dann waren sie nach Schiaparelli und Callisto, Rio de Janeiro und Treu geflogen. »Kann’s nicht erwarten, wieder nach Hause zu kommen«, konnte Mick mit dem freundlichsten Lächeln sagen.
    »Oh, Enceladus, Mick«, sagte Kyndal und zeigte auf das Wort. »Wir waren noch nie auf Enceladus.«
    »Ich schon.« Mick lächelte.
    »Hast du mir nie erzählt«, sagte Kyndal. Manchmal fragte man sich, wie gut sie einander kannten; als sei jeder von ihnen nach so vielen gemeinsamen Jahren immer noch ein fremder Planet im Reisegepäck des anderen.
    »Richtig, dieses eine Mal war ich mit Steve und Robin unterwegs«, sagte Mick. »Ist nicht schlimm.« Er schaufelte sich gewürfeltes Fleisch in den Mund. »Wir holen das nach, auf dem Rückweg.«
    »Ich kann das kaum lesen«, sagte Kyndal. »Ich wünschte, das Licht wär nicht so rot hier.«
    »Die Leute wollen nicht so viel Weiß sehen«, erinnerte Mick sie. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Mir macht es nichts aus.« Es war nicht klar, ob ihm nun Weiß nichts ausmachte oder die blutrote Beleuchtung des Restaurants.
    »Man kann nicht mal das Ketchup sehen«, meinte Kyndal. Ein Kellner mit roten Turnschuhen und einem Kragen aus Aluminiumimitat legte schwungvoll an. »Wie geht es uns denn heute?«, schnurrte er.
    »Gut.«
    »Na, großartig.«
    Kaum hatte der junge Mann ihren Tisch verlassen, als sich
ein Alarm in das honigsüße Winseln der Gitarren mischte. Alle legten die Gabel hin und starrten zur Tür.
     
    Sieben an der Zahl hatten das Lokal betreten, Menschen beiderlei Geschlechts und unterschiedlichen Alters. Der älteste war ein Mann mit ausgetrockneter Haut und langem grauen Haar; der jüngste eine Frau um die zwanzig, die aussah, als habe ihr jemand mit dem Holzhammer über den Kopf geschlagen. Sie trugen enge Stretch- oder Null- g -Kampf-Pyjamas. Die Frau vorneweg trug eine lange Holzstange in den Händen, die ihren entsetzlich weiß gekleideten Körper exakt im Schwerpunkt kreuzte. Hinter ihr kamen Seite an Seite zwei große Männer und dahinter Schulter an Schulter die vier anderen.
    »Wie sind die reingekommen?«, fragte Kyndal. Sie wusste, dass diese Leute aus Armut eine Tugend machten.
    »Ich glaube, die gehen, wohin sie wollen«, sagte Mick. »Würdest du ihnen gerne sagen, was sie zu tun haben? Ich nicht.«
    Die Anführerin sagte mit klarer, fester Stimme: »Chili-Chalet, wir sind Tombo. Wir überbringen eine Botschaft der Passagiere von Plenty.«
    Ihre Leute standen da, stumm und still wie ein Raumteiler aus Statuen. Ein paar waren barfuß. Die meisten unbewaffnet.
    »Ihr seid zu teuer. Die Leute haben Hunger.« Die Frau deutete auf die Bettler vor dem Lokal. Es waren viele inzwischen, die leiseste Hoffnung auf Essen trieb sie zusammen. »Die Bevölkerung von Plenty bittet um Nahrung.«
    »Danke, dass Sie uns heute beehrt haben «, antwortete eine sanfte Stimme aus der Luft. »Bitte gehen Sie jetzt.«
    Als die Samurai blieben, trat das Verteidigungsteam des Restaurants in Aktion. Sie kamen aus den Kühlräumen, Küchen und Personalstellungen, muskulöse junge Frauen und Männer,
auffällig bewehrt mit Messern, langen Ketten, Punchguns und anderen Schusswaffen. Sie waren für diese Aufgabe ausgewählt und trainiert worden. Im Handumdrehen standen sie den Eindringlingen in lockerer Formation gegenüber. Der Alarm hielt an, Metalljalousien rauschten über die Tapas-Theken.
    Die Frau ergriff wieder das Wort. »Ausbeuter der Bevölkerung, möge euch das eine Lehre sein«, sagte sie ohne Pathos, ohne Zorn und ohne Stolz.
    Ein Hackmesser segelte durch die Luft und blieb zitternd im Boden stecken, direkt zwischen ihren Füßen.
    Sie sah gar nicht hin und hob die Stange in einer fast rituellen Gebärde bis in Halshöhe, wo sie jetzt

Weitere Kostenlose Bücher