Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland

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Enchilada-Schachtel der Marke Chili-Chalet vorsichtig abgepellt und auf den Schreibtisch geklebt. »Das verdammte Ding fliegt nicht mal dahin, wo es hinfliegen soll«, sagte sie.
    Sie rückte in dem Zweckmöbel herum, das so genormt war, dass es auf keine bekannte Spezies passte.
    »Alice! Nicht Sarah steckt dahinter, sondern du«, sagte sie. »Hab ich recht?«
    Ihre Kaumuskeln prickelten.
    »Was hast du getan?«
    In dem anonymen Kabuff leuchteten nacheinander Lichter auf. Rote, grüne, blaue: In getrennten Clustern punktierten sie die Luft, wie imaginäre Sternbilder. »PROXIMA CENTAURI, KÄPT’N«, raunte die trügerische Stimme.
    Tabea blickte sich in dem kleinen Raum um, als suche sie nach einem Maschinenschaden. »Lüg mich nicht an, du Miststück. Nie, nie, nie, hörst du?«

    »DIESES KONSTRUKT KANN NICHT LÜGEN, KÄPT’N«, kam die Antwort. »DIESES KONSTRUKT IST EIN EGO, EIN METABETRIEBSSYSTEM.«
    »Ist das so?«, fragte Tabea. »Ist das tatsächlich so? Gut, dann lass dich testen, einverstanden? Du erinnerst dich an die Venus, Alice? Du weißt noch, was passiert ist?«
    »DU HAST DIE KOBOLD ZU SCHROTT GEFLOGEN, KÄPT’N.«
    »Ich habe eine Bruchlandung gemacht, Alice. Ich habe eine Bruchlandung gemacht; und du auch.«
    Tabea leckte sich die Lippen.
    »Ich bin in das Wrack geklettert, und ich habe dich gefunden, und ich habe dabei mein Leben riskiert, und du …« Tabea schüttelte den Kopf. »Nein.« Sie fuhr sich mit der Hand durch ihre buschige Mähne. »Nein, weißt du - Fakt ist -, ich glaube dir nicht. Genau. Das ist es.«
    Sie wand sich in dem Sitzmöbel, als hätte es sich plötzlich aufgeheizt. »Alice«, sagte sie, »Alice ist auf dieser Platte. Sie ist nicht real, aber sie hat die Kobold geflogen, und sie war es auch, die Plenty geholt hat, als wir alle dem Tod in den Rachen gestarrt haben.«
    »Aber du …«, sagte sie und schüttelte wieder den Kopf. »Dich gibt es gar nicht. Hinter dir könnte ein Zufallsgenerator stecken. Alle erwarten, dass du ein Ego bist, also halten sie dich für ein Ego. Das ist wie mit der Geheimnisvollen. Es ist völlig egal, ob es sie wirklich gibt. Früher oder später kriegt irgendwer den Stempel aufgedrückt. So ist das auch mit dir. Es gibt gar keine Alice, na und? Das verdammte Schiff tut sowieso, was es will.«
    »PALERNIA TAUCHT AUF, KÄPT’N«, sagte die Stimme unerschütterlich. »QUERAB AN STEUERBORD 36° 42' 06, 170.33.05 SUBJEKTIV.«

    »Du bist einfach ein einziges Ding, hab ich recht?« Die Wirkung des Mittels, das ihr der Gute Doktor verabreicht hatte, ließ jetzt rasant nach, beschleunigt durch die schiere Aufdringlichkeit dieses burlesken Theaters. »Ein einziges großes Ding. Die Frasqui haben dich zusammengespuckt. Die Seraphim haben dich programmiert. Alles in allem …« Tabea stand auf und stützte sich auf die Schreibtischkante. »Du erinnerst dich gar nicht an die Venus«, sagte sie in den funkelnden Raum hinein. »Du erinnerst dich auch nicht an Alice.« Die kleinen farbigen Lichter schimmerten. Der Boden schien zu kabbeln, wie unter lautlosem Gelächter.
    Tabea Jute schwankte. »Alice ist tot«, sagte sie.
    »PALERNIA GEHT AUF, KÄPT’N«, sagte die Stimme leise.

    Dog Schwartz donnerte die tiefe Kluft hinauf, die Oxygrube und die Kavernen der Unordnung hinter sich lassend. Er war total zugedröhnt. Über ihm schienen die stählernen Pylone des festgefrorenen Lifts im Düster zu glühen, wunderschöne Babyblau-und Pinktöne. Die Pylone waren von Kletterpflanzen erobert worden, die von unterhalb des Bodens kamen, als suchten sie einen festen Halt angesichts einer bevorstehenden Verwerfung.
    Die Straße unter den Rädern fühlte sich gut an. Er dachte locker und unstrukturiert an die Mammas der Oxygrube: Sie waren so feige gewesen; sie hatten es nur zu dritt geschafft. In seinem Kopf tönte ein schwüler, flauschiger Riff, immer wieder, endlos. Dog Schwartz war glücklich. Er fiel aus allen Wolken, als ihn eine vertraute, aber unliebsame Stimme von oben begrüßte. »Wo hast du gesteckt?«
    Es war der Chef persönlich. Er stand in der Tür der unbeweglichen Liftkabine. Eingedenk des Klimas hatte er den ständigen grauen Feinkordanzug um einen anthrazitfarbenen Schal und
schwarze Lederhandschuhe ergänzt. Sein Haar schimmerte wie eine Retrovinylplatte.
    Dog Schwartz fuhr sein Motorrad die Stufen zum Eingangsbereich hinauf und blieb sitzen. Der Mann bezahlte ihn, es war keine gute Idee, ihn zu ärgern.
    »Bei Freunden«, sagte Dog.
    »Die