Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland

Vom Netzwerk:

»Geben Sie mir etwas, das mich zusammenhält«, bat sie den Arzt an ihrer Seite. Ihre Stimme hörte sich an wie ein ausgeleiertes Retroband. »Würden Sie das für mich tun, bitte?«
    »Aber ja«, sagte der Gute Doktor hilfsbereit.
    Er öffnete sein Köfferchen. Darinnen glänzte es vor Ampullen.
    Tabea ließ sich die Spritze setzen und zog ein paar Sachen über. Der Doktor versuchte sie noch zu einem Glas Vitaminsirup zu überreden, aber sie lehnte dankend ab und schickte ihn fort. Dann saß sie im Auto. Im Tunnel wirbelten lauter weiße Flocken herum. Soi sah sie zum Glück auch. Ihre Schnurrhaare zuckten, wenn die Flocken lautlos auf die Windschutzscheibe trafen. »Wasistas?«
    Tabea starrte durch das Panzerglas. »Das ist Schnee, Soi«, sagte sie. »Es schneit.«

    Im Foyer der Brücke standen Obristin Stark und vier Rotmützen Lomax und Otis gegenüber. Die Rotmützen waren jung und sehr gepflegt, sie strahlten förmlich, so untadelig war ihr Lebenswandel und so durchtrainiert ihr Körper. Sie rieben sich mit Solnemanns No. 7, also mit »Waffenöl« ein.

    Der andere Geruch ging von Kenny aus. Sein Pelz war gesträubt und seine Schultern gespreizt. Die Obristin spielte mit ihrem Kommandostab.
    Käpt’n Jute ging hinüber und legte ihrem Leibwächter die Hand auf den Unterarm. Seine Muskeln waren steinhart.
    Noch mehr Mist, dachte sie, während sie Kenny in den Kontrollraum bugsierte. »Was ist los?«, sagte sie. »Was soll das Theater?«
    »Verzeihung, Käpt’n«, sagte die Obristin, die sich mitsamt ihrer Eskorte an Tabeas Fersen heftete. »Hätte ich gewusst, dass Sie nicht auf der Brücke waren, hätte ich eine Verzögerung für meinen Besuch eingeplant. So aber …«
    Mister Spinner kam mit Funk-Headset und Klemmbrett bewaffnet auf Tabea zu. »Endlich, Käpt’n. Wir haben eine Meldung …«
    »Zuerst muss ich diese - Leute loswerden«, sagte sie und sackte in ihren Sessel. Kenny kauerte mit dem Rücken zu ihr und grollte leise. Sie schmirgelte ihre Stiefelspitze in den Rücken seiner Lederweste. »Warum bringen Sie Bewaffnete mit auf die Brücke, Obristin?«
    Obristin Stark stand breitbeinig da, die Hände samt Kommandostab auf dem Rücken. Lomax hatte sie und ihre Leute umzingelt. »Wir haben einen Vorschlag zu unterbreiten, Käpt’n«, sagte sie.
    »Sie haben ein Problem«, stellte Käpt’n Jute richtig. Sie sah Otis vor sich hin griemeln. Er hatte entsichert. Mister Spinner rauchte inzwischen. Was zum Kuckuck war so dringend, dass der Mann derart ausflippte? Ein kleiner Teil von ihr war froh, diese Neuigkeit noch nicht zu kennen.
    »Käpt’n«, sagte die Obristin, »Ihre Sicherheitsvorkehrungen sind besorgniserregend.«

    Käpt’n Jute meinte zwanzig Zentimeter über ihrem Kopf zu schweben. Sie fühlte sich vollkommen sicher. »Ach was.«
    »Besonders im Hinblick auf Ihr Verteidigungspotenzial«, fuhr die Obristin fort. Sie nahm ihre Hände nach vorne, hob sie leicht an, den Kommandostab horizontal dazwischen. »Die Ratsversammlung stellte auf ihrer letzten außerordentlichen Sitzung die Frage, inwieweit Ihrerseits Ressourcen und Strategien geeignet sind, einen weiteren Angriff zu verhindern.« Die Obristin nickte in Richtung Lomax und andeutungsweise in Richtung Kenny. »Das Gespräch mit Ihren Leuten war wenig aufschlussreich.«
    Käpt’n Jute sah weder Lomax noch Kenny an, sondern die Obristin. »Vielleicht sind meine Leute der Ansicht, dass Sie das nichts angeht?«
    Ermutigt durch die kalte Ablehnung in Tabeas Stimme, schwang Kenny sich auf die Hinterbeine. Einer von Lomax’ Männern furzte höhnisch, und die Brückenleute kackten sich ab deswegen.
    »Käpt’n! Unser aller Schicksal hängt von Ihnen ab.«
    »Meine Jungs sind die besten«, erklärte Käpt’n Jute. »Die Reaktionszeit war hervorragend. Wie schnell, Alice?«
    »0,875 SEKUNDEN, KÄPT’N.«
    »0,875 Sekunden, Obristin. Beim nächsten Mal putzen wir die 5 aus.«
    Ein paar Männer lachten. Die Obristin verzog keine Miene. Sie hatte Hände und Kommandostab wieder nach hinten genommen und hielt die Ellbogen gestreckt.
    »Lassen Sie mich ein paar beunruhigende Fakten umreißen, Käpt’n. Dieses Fahrzeug ist nicht für Menschen konzipiert. Unbehagen macht sich breit, weil die Umgebungstemperaturen sinken und die Synchronizität zerfällt. Die Passagiere gehen davon aus, dass Sie uns alle heil nach Palernia bringen, und
wenn sie sehen, dass Ihr Verteidigungspotenzial nicht ausreicht, holen sie sich ihre Sicherheit woanders. Und