Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
Botschaft zu haben. Außerdem soll sie so schnell sein wie der Blitz, aber auch das scheint nicht zu stimmen.«
    »Ihre Arbeit ist getan«, sagte Xtaska, »ihre Mittel sind erschöpft. Kann sie reden? Rede, Botschafterin.«
    Angela öffnete den Mund, aber nichts kam heraus. Sie lächelte ein merkwürdiges, zögerndes, für sie allein bestimmtes Lächeln.
    »Sie stottert«, sagte Käpt’n Gillespie mit verhaltener Stimme.
    »Die Taktfrequenz ihres Prozessors ist bestimmt nicht mehr synchron mit ihrem Mund«, sagte Xtaska. »Vermutlich hat sie schon lange nicht mehr mit jemandem gesprochen. Ich möchte bitte in das Meierstein-Netz.«
    Johanna hob den Cherub ins Netz. Xtaska zeigte deutlich weniger Interesse an einer entfremdeten Angela als an ihrer bizarren, zusammengebastelten Maschine. Sie legte sich auf den
Rücken, fuhr ihren Schwanz aus und versuchte Schaltkreise zu identifizieren, wobei sich die schwarzen, speckigen Babyhändchen immerzu öffneten und schlossen …
     
    Käpt’n Gillespie hielt Angela mit der Waffe in Schach, und zwar so, dass die rot leuchtende LED nicht zu sehen war. Gleichzeitig nahm sie alles in Augenschein, was Leseslots hatte.
    Angela schenkte ihr keine Beachtung. Sie zeigte auf Johannas Arm, bewunderte die Tattoos. Genervt von ihrem Blick, rieb sich Johanna den Arm und sah ihn selbst seit Tagen zum ersten Mal. Die an Farn erinnernden Spiralen waren kaum noch auszumachen unter dem Dreck.
    »Odin hat auch ein Tattoo«, sagte sie aufs Geratewohl, hockte sich hin und befingerte, ohne Angela aus den Augen zu lassen, das Ohr der Katze.
    Angela ignorierte, was die Xtaska-Adeptin mit der Katze tat. Immer noch versunken auf die Tattoos starrend sagte sie: »Das Heilige Netz …«
    Nach einer Weile sagte Xtaska: »Ich hatte eine mentale Sperre erwartet. Eine Art Aufmerksamkeitsunterdrückung. Da habe ich dich wohl unterschätzt. Wir werden ein paar Leute herbestellen und das ganze Ding demontieren lassen. Und dich dazu, bevor es Obristin Stark tut. Die fackelt nämlich nicht lange.«
    Der Name sagte Käpt’n Gillespie und Johanna nichts. Sie besahen sich die Regelkreise, das abstruse Labyrinth aus isolierten Leitungen. »Was soll das alles?«, fragte Käpt’n Gillespie wieder.
    Der Cherub lag abgewandt im Netz und testete ein anderes Schaltfeld. »Ach«, sagte Xtaska eher beiläufig. »Johanna? Vielleicht kannst du das mal runterholen.«
    Das schwarze Fingerchen zeigte nach schräg oben in eine
schattige Nische. Johanna tauchte behutsam in das vernetzte Tohuwabohu, stellte sich auf Zehenspitzen und tastete mit einer Hand die Nische ab. Ihre Hand kam mit einer dünnen, grauen, unbeschrifteten Plastikplatte zum Vorschein, augenscheinlich ein spezieller Datenspeicher. Xtaska musste Röntgenaugen haben. Johanna hielt ihr die Platte hin.
    »Nein«, sagte Xtaska. »Nimm das an dich. Du bist absolut unverdächtig. Aber ja nicht verlieren, hörst du?«
    »Verliere das Ding, und ich zieh dir das Fell über die Ohren«, knurrte Dodger.
    Johanna sah erschrocken drein und schob die Platte in die Gürteltasche.
    »Was hat sie denn vorgehabt?«, fragte Käpt’n Gillespie den Cherub.
    »Sie hat den kompletten Mesenzephalischen Kern abgekoppelt, Käpt’n Gillespie. Das hat sie nicht bloß vorgehabt, sie hat es getan. Alle Informationen, die hier durchgekommen sind, alles, was ich an die Brücke weitergegeben habe, ist verfälscht worden. Alles.« Xtaska schien mehr beeindruckt als verärgert. Leitungen herausrupfend und Stecker ziehend, sagte sie: »Wo sind wir wirklich ?« Die Frage galt Angela.
    Johanna schmeckte Furcht. Käpt’n Gillespie fluchte lautlos. »Den logischen Aufenthaltsort, meine ich«, sagte Xtaska. Angela lächelte albern. »Alle K-K-Knotenpunkte treffen sich im Heiligen Netz.«
    »Eine Scheißentführung«, presste Dodger zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Johanna kam und blieb dicht bei ihr stehen. Ihr klopfte das Herz bis zum Hals. »Mein Gott, ich möchte nicht mit ihr tauschen«, sagte Dodger. »Wir hätten sie nicht allein lassen dürfen.« Sie sah Angela an, aber Johanna wusste, dass sie Käpt’n Jute meinte.

    Sie brauchten zwei Tage, nur um die Medulla-Seilbahn zu erreichen. Zum Glück funktionierte sie noch. Sie saßen in der einzigen, noch übrig gebliebenen Gondel und ließen sich langsam und knarrend aus der Tiefe des Schiffs zurück ans Licht tragen. Die Katze hatte sich bereits abgesetzt; vermutlich war sie wieder bei Sepias Leuten, die zusammengesunken um ihre

Weitere Kostenlose Bücher