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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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ein bewährtes Verfahren, finden Sie nicht?«
    Der Apotheker bat Oib, für Mister Spinner den gleichen Moos-Tee aufzugießen, den auch Käpt’n Jute bekam. Und Otis begann mit der Feineinstellung seiner Servos.
     
    Eine Schwester kam aus dem Schlafzimmer. »Sie will ein Statement abgeben«, sagte sie hastig. »In einer Minute ist sie auf Sendung.«
    Alle drängten ins Schlafzimmer und blickten auf die bewusstlose Tabea, ihren rasierten, graugrünen Kopf auf den schneeweißen Kissen. Man nahm wortlos Platz.
    Karen Narlikar stellte lauter. An der Wand hinter dem frisch rasierten Ansager von Kanal 10 lief ein Countdown. »… schalte jetzt zur Brücke«, sagte der Mann ausdruckslos, »wo Obristin Stark wartet.«
    Die Rotmützenführerin kam in Großaufnahme. Ob sie wirklich auf der Brücke war, konnte man nicht sehen. Jeder sah sich noch einmal angespannt, eingeschüchtert oder anklagend nach
Mister Spinner um, der unter ihnen saß, und blickte gleich wieder auf den Schirm.
    »Ein paar von Ihnen haben vielleicht schon gehört« , las die Obristin ab, »dass unser Käpt’n Tabea Jute einen Nervenzusammenbruch erlitten hat und zurzeit nicht in der Lage ist, ihren Pflichten auf der Brücke nachzukommen. Auf der längsten und härtesten Reise in der Geschichte der Menschheit ist kein Individuum einem größeren Stress ausgesetzt gewesen als unser Käpt’n. Ich weiß, dass ich für die ganze Mannschaft und alle Passagiere spreche, wenn ich ihr in dieser kritischen Phase der Annäherung alles Gute wünsche. Und in dieser kritischen Phase müssen wir alle, Menschen und andere, dazu beitragen, dass es niemandem gelingt, die Genesung des Käpt’ns zu stören oder die Sicherheit von Schiff und Personal zu gefährden. Ihre Rotmützen-Freiwilligen haben das Privileg, für den Rest der Reise nach Proxima Centauri auf Sie und Ihre Angehörigen aufzupassen.«
    Kenny bellte scharf und angewidert. In dem überfüllten Zimmer hätte man meinen können, seinen Hass zu riechen.
    Der Schirm teilte sich, um Sequenzen vertrauter Orte zu zeigen: ein präzentrales Chili-Chalet; die Promenaden in der Schläfenregion steuerbord; die karmesinroten Gewölbe des Hippokampus; das glühende kleine Nest des Thalamus-Büros. Auf jedem Bild patrouillierte eine Rotmütze mit einem frisch gestrichenen rot-weißen Roboter zur Seite und überprüfte Fußgänger und Fahrzeuge. Überholte Tunnel-Kehrmaschinen, und Deckenschnecken waren mit einem Mal schwer bewaffnet.
    Die Zuschauer rings um das Bett machten ihrem Abscheu Luft.
    Die Kamera fuhr zurück. Die Totale zeigte die Obristin tatsächlich auf der Brücke, im großen blauen Sessel des Käpt’ns mit einem Kommando schwerer Kontrollmaschinen und uniformierter
Menschen im Rücken. Unter ihnen Clegg und ein paar von Lomax’ Leuten. Otis fluchte. Lomax selbst war nicht zu sehen.
    Mister Spinner blinzelte. Die Brücke war in Betrieb. Alle Schreibtische und Konsolen waren besetzt. Auf dem Wandschirm glomm Proxima Centauri, fleckig und trübe.
    »Gewisse Vorkehrungen sind erforderlich« , sagte die Obristin, »um sicherzustellen, dass das Schiff seinen Transit in den Realraum ungestört beenden kann. Niemand, ich wiederhole, niemand muss einem sogenannten Reisebüro Waren oder Geld geben, damit es sich um ihn und seine Familie kümmert. Ihre Rotmützen sind ausgebildet, Ihnen rund um die Uhr Sicherheit zu bieten; sie sind ferner gerüstet, jedwede Bedrohung für Schiff und Personal abzuwenden. Ihre Kooperation wird uns helfen, Ihnen zu helfen« , sagte sie und führte schneidig die Hand an ihr Barett.
    Alle starrten auf den Schirm. Niemand blickte aufs Bett.
    Zwischen den Kissen sagte eine kleine, schrecklich anzuhörende Stimme: »Sie hat keine blasse Ahnung.«

34
    In der Kaverne des Khans schraubten die Häuptlinge Waffen zusammen. Augen leuchteten hinter öligen Haarsträhnen. Die Luft war stickig und voller Qualm.
    Abseits saß ein Hüne von einem Kerl und las in einem zerfledderten Taschenbuch. Neben ihm hockte ein muskulöser Schrante, feilte sich die Nägel und beobachtete die Ladeanzeige einer Drinski-Lanze. Die rasenden E-Gitarren vermischten sich mit dem Scheppern von Metall und dem Prasseln der Motoren, das unten aus der Oxygrube kam.

    Das Chaos-Oberhaupt saß mit zurückgeworfenem Kopf und abgestreckten Füßen da. Die dicken Mammas legten ihm den Harnisch an, stopften seine schweren schwarzen Locken in den alten Lederhelm. Seine Narben hatten sie mit Fett eingerieben, so dass sie zornig

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