Sonnenwanderer
»Bist du das, Mogul?«
»Ja«, sagte er sofort. »Ich bin es, Mogul.« Er blickte sie hämisch an. Das war neu.
»Ich möchte dich berühren«, sagte sie.
Sie sagte es zu ihrem Spiegelbild in seinem Brillenglas!
»Liebste Schwester«, improvisierte Grant Nichtsweiter. »Wie sehr habe ich dich vermisst. Nun sind wir wieder beisammen, nichts wird uns trennen.«
Das Resultat war köstlich. Das Leben kehrte in sie zurück. »Ja«, stöhnte sie. »Ja, Mogul, ja …« Ihr stockte der Atem, sie begann zu husten. Er öffnete ihr Mieder.
»Mach mich los, Mogul«, sagte sie, als er ihre feuchte, jetzt gelbliche Haut mit Küssen bedeckte. »Mogul, mach mich los, du musst, oh. Ich will dich umarmen.« Sie fieberte vor ohnmächtiger Erregung.
Sie fing wieder mit ihrer Husterei an. Sie krümmte sich. Etwas Schwarzes war in ihrem Mund.
»Sch«, machte er. »Streng dich nicht so an. Das ist nicht gut für dich.« Ihm fiel auf, dass er meinte, was er sagte.
Trotzdem zerrte sie an ihren Fesseln, schnappte nach seinen Lippen, bekämpfte ihn mit ihren Küssen. Sie schmeckte nach Pharmaka, Käfighaltung, Schleim und Blut. Als sie in einem Moment der Erschöpfung zurücksank, überkam ihn wieder jener Jetzt-oder-nie-Gedanke. Er blickte zur imaginären Tabea Jute auf. »Was ist sie doch für ein kleiner Quälgeist!«, sagte er. Er wusste, dass er keine Erwiderung bekam. Die Sprechfunktion war deaktiviert. Er hatte keinen Nerv für die primitiven vokalen Gehversuche eines Typ-3-Holos.
Seine Hand liebkoste das verhungerte Gesicht der Magierin. Sie zitterte wie ein überanstrengtes Pony. Ihr Fleisch war wie Glas, ihre Knochen wie Kunststoff.
»Also gut, mein Schatz«, sagte er. »Also gut, liebste Schwester. Halte durch. Habe Geduld.«
Er langte an den Kopf des Bettes und löste die Sperre an ihrem linken Handgelenk.
»Mogul!«, schrie sie.
Sofort war die Hand an seiner Wange und vollführte unbeholfene Liebkosungen.
Wie ein Kätzchen miaute Sarah. Sie streichelte seine Brust, die Hand glitt seinen Bauch hinunter. Grant Nichtsweiter löste die zweite Sperre.
Sarah Zodiak setzte sich unter ihm auf, presste ihre geschrumpften Brüste mit nie gekannter Kraft gegen ihn. Ihre Arme umfingen ihn, ihre Hände fuhren ungestüm seinen Rücken rauf und runter, streichelten seinen Kopf, seine Taille, seinen Po. Ihre bittere Zunge drängte sich in seinen Mund.
»Mogul - Mogul - mein Bruder, meine Liebe …«
Ihre linke Hand spreizte sich um seinen Hinterkopf, die Fingerspitzen kneteten seine makellose Kopfhaut. Er legte den Arm um ihre Schultern und zog sie fort. Sie nahm den Kopf herunter und hing an seiner Brust. Jetzt war Feuer in ihr, heiß wie Fieber.
»Ich weiß, was ich will«, murmelte sie in sein Schlüsselbein. Sie war kaum zu hören, so laut spielte das antike Orchester für den kleinen Comic-Vogel. Sie sagte es immer und immer wieder. »Ich weiß, was ich will. Ich weiß, was ich will. Ich weiß, was ich will.«
Er kam mit dem Gesicht herunter. »Was denn, Schätzchen?«
»Das.«
Der rechte Handballen brach ihm die Nase. Ein guter Schlag, der das Nasenbein in sein Hirn gerammt hätte, wäre sie nicht so schwach gewesen. Allerdings hatte sie das linke Brillenglas in lauter dreieckige Scherben zerbrochen und drückte, brach und rieb ihm jetzt die Splitter ins Auge. Er schrie wie eine Bandsäge.
Sie schlug wieder zu, aber er fuhr zurück, ihr Schlag ging ins Leere.
Im Korridor kratzten Pfoten. Die Tür glitt auf, und Jogo sprang ins Zimmer.
Sarah Zodiak hatte gehofft, ihr würde eine Minute bleiben, um sich zu befreien. Sie hatte gehofft, irgendetwas Geeignetes in die Finger zu bekommen und den Mann zu erledigen, bevor sie mit der Frau konfrontiert wurde. Sie hatte keine Wahl gehabt, nur Hoffnung.
Die Schrantin hielt inne, die Nüstern blähten sich rhythmisch, in den Augen blinkten die Bildschirme. Sie sah ihren Herrn und
Meister auf sich zutaumeln, nackt, die Hände auf das linke Auge gepresst, die kaputte Brille ragte aus den Fingern. Blut lief ihm die bloßen pinkrosa Unterarme herunter und tropfte von den Ellbogen auf den Teppichboden. Er schrie sie an. Sie starrte ihn an, erst ihn und dann die Menschenfrau auf dem Bett, die vorgebeugt dasaß und wie wild an ihren Fußfesseln zerrte. Auch sie war mit Blut besudelt, frischem Blut, der Blutgeruch hing heiß und singend in der Luft, zwei Sorten von Blut, die sich vermischten.
Das Gesicht ihres Herrn und Meisters war schmerz- und wutverzerrt. »Nun steh nicht
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