Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland

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besetzt, Waffen waren so gut wie keine zu sehen, und der große Wandschirm zeigte ein Modell von Palernia am Punkt der größten Entfernung von Proxima. Eine eingeblendete Grafik veranschaulichte in grellen Falschfarben Landschaften, Bevölkerungsdichte und Hauptklimazonen des Planeten; sogar an die Silhouetten von ein, zwei Schiffen im Orbit war gedacht worden.
    Die Obristin strich über ihren Bürstenschnitt. »Ich möchte alle darüber in Kenntnis gesetzt zu haben wissen, dass Käpt’n Jute zurzeit die beste medizinische Versorgung und Zuwendung erhält«, sagte sie. »Unsere Botschaft an Passagiere und Mannschaft lautet: Halten Sie sich an die Ihnen zugewiesenen Aufgaben und Aufenthaltsorte, und alle diese Beschränkungen werden mit der größtmöglichen Unverzüglichkeit Schnee von gestern sein.«
    Frauke Thorwald schenkte der Rotmützen-Obristin ihrerseits einen offenen Blick. »Und wenn die gegenwärtigen Unruhen anhalten, Obristin, was gedenken Sie in diesem Fall zu tun?«

    »Sollten die momentanen Unruhen anhalten, Frau Thorwald«, sagte die Obristin, »so sind wir gerüstet, unsere Präsenz in jedem Bezirk der beiden Hemisphären zu verstärken.« Sie machte eine knappe, entschiedene Handbewegung. »Ich wiederhole: In jedem Bezirk, bewohnt oder unbewohnt, können wir jeden, der in radikale Aktivitäten verwickelt ist, befrieden.«
    Wie auf Bestellung erschien Leutnant Rykow auf dem Schirm der Bordfunkanlage: »Invasoren, Frau Stark« , platzte er heraus. »Sylvisches Aquädukt.« Es folgten Bilder, große Schemen bewegten sich durch einen elektrostatischen Sturm. Ein Mann erschien, er stand hinten auf einem gepanzerten Vehikel und schwang ein ramponiert aussehendes Schwert. Die Chaos-Horde: so sicher wie der Schmutz auf seinem Gesicht.
    Das war sie also, die befürchtete »Überspannung im Hinterhauptlappen«. Der Ausschuss war geteilter Meinung gewesen. Die einen hatten sie vor dem eigentlichen Wiedereintritt erwartet, die anderen danach. Die Barbaren hatten sich entschieden, der Diskussion ein Ende zu bereiten und vorzurücken. Sie freute sich schon auf die Begegnung. Obristin Stark spürte, wie die innere Flamme reiner, aufrechter Kampfesfreude ihre Brust erwärmte.
    Die AV-Reporterin zwitscherte aufgeregt in die Kamera: »Hier ist Frauke Thorwald vom Bürgerkanal 10 mit dem Live-Bericht über die Unruhen in der Lateralfurche! Wir werden mit Obristin Stark vor Ort sein, doch vorher ein kurzes Interview mit Frau Stark zum Fünf-Stufen-Plan für Ihre persönliche Sicherheit.«
    Alle Offiziere der Obristin meldeten sich zur Stelle, persönlich oder auf dem Schirm. »Hintere Schläfenregionen mobilisieren«, befahl sie. »Rykow, Bereitschaft zur Allgemeinen Mobilmachung. Navigator vom Dienst, Sie übernehmen.« In einer
Keilformation aus Funktionsträgern in Kommandobereich und Sicherheit marschierte sie von der grünen Kuppel zum Lift. »Achtung, an alle Einheiten«, ließ sie über Rundfunk verbreiten, »auf Rädern oder in der Luft, hier spricht Stark. Kommandostand LF1 für meine sofortige Ankunft vorbereiten.« Während sie sprach, wanderten ihre Finger über die farbig glühenden Knöpfchen eines Steuerhandschuhs. »Operation Brückenkopf«, sagte die Oberkommandierende. »Phase Grün.«

    Käpt’n Jute lag im Bett. Sie lag schon eine ganze Weile in diesem Bett.
    Es war nicht ihr Zimmer. Es war voller Plunder und Abfall, aber nichts davon stammte von ihr. Sie kannte diese Stapel von getragenen Kleidungsstücken nicht; diese Sammelkästen, die mit zusammengefalteten Plastiktüten gefüllt waren. Hier gingen Altairer aus und ein. Als sie zum ersten Mal zu sich gekommen war, hatte sie sich in der Walross von Käpt’n Frank gewähnt. Gleich würde er wieder trompeten, sie zu Hilfe rufen, um ein neues interplanetares Stück Schrott zu bergen, das er aus den Abfallorbits gefischt hatte. Aber dann waren Schwestern gekommen und hatten viel Wirbel um sie gemacht, so dass ihr klar geworden war, dass sie nach wie vor an Bord des frasquischen Sternenschiffs war; dass sie als Käpt’n versagt hatte und nun dabei war, den Wahrscheinlichkeitshorizont eines unidentifizierten Sterns zu überschreiten. Sie musste aufstehen und Entscheidungen treffen, Pläne machen, Befehle ausgeben. Sie kam sich selbst wie ein Stück Schrott aus einem Abfallorbit vor. Wo und warum hatte man sie bloß vom Boden gekratzt?

    Leute gingen aus und ein, murmelten, damit sie nicht hören konnte, was sie sagten. Otis war immer