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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Parallaxenstabilisierungsmesoskope installiert - schöne Geräte, sündhaft teuer, aus dem Orbit von Domino Valparaiso. Einmal hatte sie hundert Kisten davon in der Frachtbucht einer glitzernden Sexmall auf Telos 10 gelöscht. Diese Geräte gehörten jetzt ihr.
    Käpt’n Jute ließ die Hand über die Kontrollfelder ihrer Konsole gleiten. Sie erwachten zum Leben und verbreiteten Lichtmuster,
die aussahen wie farbige Öle unter Rauglas. Sie staunte. »Wo kommt das denn her?«
    »DAS IST PLENTY«, sagte Alice. »HIER GIBT ES NICHTS, WAS ES NICHT GIBT.«
    So hieß der Slogan auf dem Logo des Orbitals, wie man es von Reklamezetteln, Annoncen und Signalsatelliten kannte: ein stummer, funkensprühender Wirbel aus Obst und Münzen und Spielkarten, der sich aus einem stilisierten Hügel speiste, der an den Panzer einer Schildkröte erinnerte. Obwohl jene, die tatsächlich in den schmutzigen Höhlen und Korridoren von Plenty gearbeitet hatten, das Orbital eher mit einem Müllsack verglichen.
    »Hier gibt es nichts, was es nicht gibt«, sagte Mister Spinner und lächelte über seinem zeitlosen Klemmbrett.
    Mister Spinner war eben noch Erster Offizier auf einem Shenandoah-Getreidefrachter gewesen. Sein Zahlmeister hatte ihn während des Zwischenstopps durch die Lasterhöhlen von Plenty geschleppt, so dass er an Bord gewesen war, als die Station ihren völlig überraschenden Jungfernflug antrat. Ein ausgesprochener Glücksfall, fand Mister Spinner. Zurzeit steckte Shenandoah in der Krise, wie alle anderen auch. Der Frachter lag in der Trichterbucht und wurde wahrscheinlich gerade geplündert; doch Mister Spinner war hier und machte sich nützlich. Auf seiner Glatze brachen sich die Lichter der Brücke. »Eine Reise, die es nur einmal gibt«, sagte er zu den AV-Interviewern. »Zum ersten Mal reisen Menschen zu einem anderen Stern.«
     
    Das eigentliche Reiseziel war noch nicht ausdiskutiert. Es gab keinen Mangel an Vorschlägen. Kreuzer und Aufklärer voller Spekulanten und Repräsentanten hatten sich angemeldet, als Plenty im Gürtel materialisierte. Die Nachrichtenverbindungen
waren überlastet: Fragen, Forderungen, Bestechungen, Drohungen, Kooperationsangebote. Offenbar war die Apokalypse angebrochen. Die Capellaner waren gestürzt; überall liefen Eladeldi herum und bissen sich in den eigenen Schwanz; hinter Jupiter sammelten die Seraphim ihre stummen schwarzen Schiffe. Die Leute im Gürtel waren eher von Käpt’n Jutes riesiger Arche angetan.
    Käpt’n Jute rekelte sich im blauen Elastoschaum ihres Sessels. Sie trank Trajan Spezial-Reserve. Die Hand mit der Dose schoss nach oben. Alle verstummten und blickten sie an.
    »Das Zeug ist wirklich gut«, verkündete sie.
    Alle bestürmten sie lauthals. »Okay, okay!« Sie lachte und bedachte die erregten Menschen mit einem belustigten, aber auch hintergründigen Blick. »Okay. Alice? Wie weit können wir?«
    »VIELES LIEGT NOCH IM DUNKELN, FÜRCHTE ICH«, erwiderte das Ego aus dem Labyrinth exotischer Programmierung. »VIELLEICHT SOLLTEN WIR ERST MAL ZUM TITAN FLIEGEN.«
    Die Freaks waren sich einig, dass der Quellcode, der den Frasqui-Antrieb zum Leben erweckt hatte, vom Titan stammte.
    »DAS KÖNNTE HILFREICH SEIN«, setzte Alice hinzu.
    Wahrscheinlicher war, dass die Leute auf Titan beziehungsweise ihre Arbeitgeber das Schiff zurückhaben wollten, überlegte Tabea. Diese Arbeitgeber waren entweder Frasqui, die Leute verspeisten, oder Seraphim, die Leute ummodelten. Unwillkürlich blickte Tabea auf die geflickte Wand des Kontrollraums, wo die letzten Frasqui hereingeplatzt waren; und dann auf Xtaska, den Cherub, der ganz in der Nähe schwebte. Xtaska war eine Schöpfung der Seraphim. Sie war bereits zugange, die frasquischen Diagramme und Tabellen zu übersetzen. Ihre kirschroten
Äugelchen leuchteten schwach, während sie die Konsole mit ihrem silbrigen Schwanz beackerte.
    Nein, von Titan war man nicht begeistert. Alle wollten zu den Sternen. Seit man sich in den Raum hinausgewagt hatte, hatte man sich dank der capellanischen Politik auf das Sonnensystem beschränken müssen - den Capellanern ging es aber weniger um einen kulturellen Schutzraum als um intensive Landwirtschaft. Es war an der Zeit, das System zu verlassen.
    »Einer nach dem anderen, bitte!«
    »Van Maanens Stern«, rief Karen Narlikar, Ex-Truckerin wie Tabea.
    Eine Technikerin mit Neptunmuschel-Ohrringen hopste. »Nein, nein«, rief sie. »BD+59.1915B. Er hat diese wunderschöne Korona.« Sie drängte sich

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