Sonnenwanderer
verlegen zu sein. Er hatte sich offensichtlich angestrengt, seinen Heldenmut herunterzuspielen und ihr Pendant mit vielen theatralischen Gesten aufzuwerten, obwohl ihm das Skript nur wenig Spielraum ließ.
»Kenny hatte seine helle Freude«, sagte Käpt’n Jute. »Stimmt’s, Kenny?«
Kennys langgezogene Augen glitzerten.
»Hallo, Sarah«, sagte Marco. »Talo funktioniert doch prächtig, oder? Und wie sie ihn lieben. Junge, Junge. Noch mehr als die Hand.« Er wandte sich gleich wieder Tabea zu, spielte einen zuckersüßen Triller, ließ ihn jaulen wie eine Mundorgel und schenkte ihr ein schmolliges Lächeln. Er war glatt wie ein Sandtigerhai, vom Scheitel bis zur Sohle. Nichts blieb an ihm haften. »Und das Bein?« Er zog das Hosenbein hoch, entblößte chromglänzendes Metall. »Vanadium-Stahl, Gelenklager aus Zirkon. Und der Handschuh, sechzehn zusätzliche Schaltkreise, kein Gramm schwerer.« Er war geschwätzig. Als er einen Knopf am Handgelenk drückte, rutschte der rechte Ärmel wieder hoch; er wurde von einem versteckten Draht nach oben gerafft. Sie besah sich den Strauß aus Teleskopröhren und Kapillaren, die im Ellbogen verschwanden. »Einhundertsechsundfünfzig Stunden Operation«, sagte er stolz. »Die waren nicht knauserig.«
Käpt’n Jute stand auf. Sie registrierte, wie ihr Gefolge sich neu gruppierte, mit subtilen Hand- und Kopfbewegungen, die Augen auf sie gerichtet oder auf sie beide. Der abendliche Ausflug brauchte klare Signale.
Der Entertainer trat näher an sie heran. Sie hatte vergessen, wie klein er war.
»Können wir irgendwo hingehen, reden?«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Ich weiß, dass ich dich vernachlässigt habe, ich gebe das zu, sicher, nur die Show …«
Ohne hinzusehen, machte sie eine wegwerfende Geste zur Bühne. »Ich wollte dich einfach nur sehen...«
Er senkte den Kopf, als sei er von Emotionen überwältigt. Dann hob er den Blick und sah sie unter langen schwarzen Wimpern feucht an. Er sagte: »Ich hab mich von dir ferngehalten; ich wollte nicht, dass du dich schuldig fühlst, weil du mich
so verlassen hast. Ich wollte uns Zeit lassen.« Er legte ihr die richtige Hand auf den Ärmel. »Ich habe dich vermisst, Tabs«, sagte er mit Sehnsucht in der Stimme. »Glaub mir. Gott, wie hab ich dich vermisst.«
Käpt’n Jute hob das Kinn.
»Wie hast du mich genannt?«
Er nuschelte und fuchtelte mit den Händen. Sie drehte sich um, winkte brüsk den Leuten, die sich wegen Kenny nicht auf die Treppe wagten.
Zögernd kamen sie herauf, der vespanische Direktor in seinem karmesinfarbenen Gehrock, der Oberkellner in seinem silberfarbenen Smoking und eine junge Frau mit großen Brüsten, die entzückt und ängstlich zugleich aussah. »Käpt’n, das ist wirklich die tollste Ehre«, sagte sie mit hauchiger Piepsstimme.
Käpt’n Jute schaute sie an. Die Frau kam ihr bekannt vor. Die Pilotin! Diese Frau hatte die Pilotin gespielt.
Tabea ließ sie stehen und wandte sich an Zoe Primrose.
»Wer ist hier verantwortlich?«
Der Vespaner trat einen Schaukelschritt vor, nickte, das Gesicht servil ein- und ausfaltend.
»Die Show wird abgesetzt«, sagte sie.
Es gab einen Aufschrei.
»Ende«, sagte sie. »Schluss. Vorbei.«
»He, Käpt’n, hör mal, lass uns darüber reden«, sagte Marco mit tiefer, gefühlvoller Stimme.
Tabea stopfte die Hände in die Taschen. »Schaff ihn fort«, sagte sie.
Kenny drang sofort auf ihn ein. Der Entertainer klammerte sich mit der richtigen Hand ans Geländer. »Du magst die Show nicht? Du magst sie nicht?«, rief er wütend. »Wir können sie
ändern, ein paar neue Nummern reinnehmen...« Er unterdrückte einen Schmerzensschrei, als Kennys Klauen anfingen, seine Finger vom Geländer zu hebeln.
Marcos Partnerin wimmerte. Der Manager tat einen kummervollen Blubberlaut, und alle anderen umklammerten, was sie bei sich hatten.
»Alles, was du willst!«, schrie der König des Merkur-Palasts, während der Schrante ihn zur Künstlergarderobe trieb. »Du hast das letzte Urteil über das Skript - he, Käpt’n! Ein persönlicher Auftritt vielleicht? Was meinst du?«
Auf dem Heimweg lachte die Gang und feierte, wie der kleine Mann sich gewunden hatte, weil Tabea so mit ihm umgesprungen war. »Die Show war total beschissen«, sagte Dorcas Mandebra entschieden.
»Total«, sagte Käpt’n Jute entschieden. »Er ist ein lausiger Darsteller.«
»Du hast den Leuten einen Gefallen getan«, erklärte Karen.
An der Montgomery-Kluft wurden die
Weitere Kostenlose Bücher