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Sophia oder Krieg auf See

Sophia oder Krieg auf See

Titel: Sophia oder Krieg auf See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Braband
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geweckt. Er sprang auf, kniete sich neben Jonathan und versuchte ihm die begehrten Nüsse vor der Nase wegzuschnappen.
    »Es sind keine mehr da«, brummte Jonathan, während er mit den Händen durch die leeren Schalen auf dem Boden fuhr. »Ich wusste es«, murmelte Thomas und wieder kam ihm Von Cord in den Sinn, dieses Mal mit einem riesigen buschigen Schwanz und an die Rinde eines Baumes gekrallt.
    »Wir könnten den Baum schütteln«, safragte Tom als er auf allen Vieren kriechend in die Baumkrone blickte und hatte durch seine seltsame Intonation tatsächlich den bisher unbekannten Duktus 117 der Ich weiß nicht, ob das eine Frage ist oder nicht Frage erfunden. Jonathan sah ihn mitleidig an, nicht wegen der Intonation, sondern weil die Buche vermutlich laut losgelacht hätte, wenn irgendjemand versucht hätte, sie zu schütteln. Der Stamm war riesig.
    »Wie heißt du eigentlich wirklich«, wollte Jonathan ganz unvermittelt wissen, stupste seinen Freund an und ließ die eigene Nase in Richtung der geheimnisvollen Tätowierung auf Toms Arms zeigen.
    Jonathan konnte sich nicht daran erinnern, dass er jemals in seinem Leben etwas gesagt hatte, was er so schnell bereute, wie diese letzten Worte.
    Toms Augen wuchsen auf abartige Größe. Die Pupillen in seinen braunen Augen weiteten sich und sein Gesicht wurde aschfahl. Der junge Mann begann augenblicklich am ganzen Körper zu zittern. Ohne den Blick von Jonathan zu lassen, fiel Thomas von allen Vieren auf die Seite, wie ein Hund, der sich in einer Demutsgeste dem ranghöheren Tier unterordnet.
    In Toms großen, klaren Augen sah Jonathan ein Entsetzen so epischen Ausmaßes, dass es Giles Juniors ganzen Körper gleichfalls erschaudern ließ. Da tobten eine nicht Enden wollende Einsamkeit und eine an Wahnsinn grenzende Verzweiflung, die in Worte gar nicht mehr zu fassen waren. Selbst wenn man es versuchte, würde man am Ende bloß einen baufälligen Turm an stereotypen Trostlosigkeiten errichtet haben, der zwar beeindruckend grauenhaft im Mondlicht glänzen mochte, aber sofort wieder in sich zusammenstürzte, wenn man in eben diese Augen sah.
    Das schwarze Monster in Jonathans Brust, der Strudel, die Wand, ach, er hatte dem Ding ja schon tausende von Namen gegeben und keiner traf es richtig. Das war auch völlig wurscht. Wichtig war nur, dass sich das Ding gerade wieder bemerkbar machte. Aber dieses Mal saß das kleine Miststück, das keine Form und keinen Namen hatte, nur auf seinem nicht vorhandenen Hintern, knurrte ein bisschen und wedelte mit dem ebenfalls nicht vorhandenen Schwanz. Jonathan hatte es dressiert, sein kleines schwarzes Monster, und irgendwie war es jetzt ein braves, kleines, schwarzes Monster. Irgendwie. Hatte er das selbst vollbracht? War es Sophia gewesen? Oder Gott? Jonathan wusste es nicht.
    Was er aber wusste, war, dass er dem bestialischen Ungeheuer, welches in Thomas wütete, soeben äußerst mächtig in den Arsch getreten hatte. Und das Trauma, das grauenhafte Erlebnis, das fürchterliche Ding, welches Tom in sich herum trug, war nun sehr, sehr schlechtlaunig. Jonathan hatte die fette Drecksau gereizt und versehentlich von der Kette gelassen. Das war im Allgemeinen nicht das, was man von einem Freund erwartete.
    Jonathan würde es also wieder einfangen müssen, das Untier.
    Tom wimmerte kurz auf und versuchte auf dem Rücken liegend davon zu kriechen, was ziemlich bescheuert aussah und allgemein als ineffektiv bezeichnet werden konnte.
    »Nein, nein, nein«, rief Jonathan verzweifelt und zu seiner Überraschung war er es selbst, der fast heulte. Jonathan stürzte sich auf den Freund, packte ihn und klammerte sich an seinen Körper.
    Tom schlug um sich, zeterte und jaulte.
    »Ruhig, Tom«, rief Jonathan immer wieder ohne seinen Griff zu lockern, »es ist alles gut«.
    Thomas hörte auf zu strampeln und fing dafür an zu flennen. Aber Jonathan ließ ihn immer noch nicht los.
    »Ich werde dich nie wieder fragen«, sagte Jonathan leise. Was immer Tom auch erlebt hatte, es musste von allumfassender, ultimativer Grauenhaftigkeit gewesen sein. »Werde dich nie wieder fragen«, wiederholte Jonathan und schämte sich unendlich.
    Thomas schämte sich auch unendlich, insbesondere, weil er flennte wie ein kleines Mädchen.
    »Du bist mein Freund«, wisperte Jonathan und hoffte die Wahnsinnsmisere für Thomas erträglicher zu machen, indem er ihn nicht direkt ansah, »du bist mein einziger Freund«.
    Thomas beruhigte sich endlich. Jonathan löste seinen

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