Sophie Scholl
Lebensbild der Sophie Scholl ist mancher Mythos verblasst.
Inge Aicher-Scholl hat mit ihrem Buch »Die Weiße Rose« ihre Geschwister Hans und Sophie und den Kreis der Gleichgesinnten im Widerstand gegen ein verbrecherisches deutsches Regime sieben Jahre nach Kriegsende dem Vergessen entrissen. Auf der Grundlage ihres Buches wurden Sophie und Hans Scholl für immer neue Generationen von jungen Menschen zu Vorbildern, wenn es um freiheitliche und menschenwürdige Entwürfe geht, im Leben und in der Politik. Ein Ansporn, das Gewissen zu sensibilisieren und seine Wegweisungen ernst zu nehmen.
»Die Weiße Rose« wurde von Inge Scholl im Laufe der Jahre verändert. Im Kern hat sie lebenslang das Bild verteidigt, das sie darin von Hans und Sophie Scholl geprägt hat. Und von der ganzen Familie Scholl, der »kleinen, festen Insel«, dem »festen Grund«, dem Sophie Scholl ungewöhnliche Freiheiten verdankte und der sie zugleich in Bindungen hielt, von denen sie sich schmerzhaft zu lösen suchte.
Inge Aicher-Scholl war direkt betroffen in diesem Drama, und mit der jüngsten Schwester Sophie durch eine intensive Korrespondenz, emotionale Nähe und Verwicklungen tief verbunden. Kann die historische Größe der Geschwister, deren junges Leben von den Mördern mit der Guillotine ausgelöscht wurde, die Verzweiflung und Wut, die Trauer und Ohnmacht über den Verlust der Menschen aus ihrem engsten Lebenskreis aufwiegen? Auch der jüngste Bruder Werner, in Russland verschollen, gehört zu den Verlusten. Wie viel Kraft braucht es, mit den geliebten Toten als Lebens-Begleitung Sinn und Zuversicht für eine neue Gegenwart zu gewinnen?
Umgekehrt gilt: Die Toten am Leben zu halten – für andere und für alle Zeiten – stiftet Sinn und gibt Kraft. Unsichtbar geblieben ist, wie viel Kraft Inge Scholl über Jahrzehnte in das Projekt steckte, alle zeitgenössischen Quellen aus dem Leben ihrer Geschwister und ihrer Familie zu sammeln; nicht aufzuhören, alle Menschen nach sichtbaren Zeugnissen zu befragen, die mit den Toten zu deren Lebzeiten befreundet waren oder nur eine lockere Verbindung hatten, und zu bitten, ihr diese Dokumente anzuvertrauen. Vor allem aber alle Unterlagen und die Korrespondenz der Scholl-Familie auf lange Sicht öffentlich zu machen, angefangen bei den Briefen von Großmutter Sophie Müller und den Brautbriefen von Lina Müller und Robert Scholl; den unzähligen Briefen, die ab 1937 zwischen den Geschwistern und mit den Eltern, vor allem der Mutter, hin und her gingen; der Korrespondenz Sophie Scholls mit Lisa Remppis, der lebenslangen, vertrauten Freundin; den Tagebüchern von Sophie, aber ebenso von Inge Scholl, den Zeugnissen und Schularbeiten.
Über die Jahre ist so ein riesiges Archiv entstanden. Inge Scholl hat es nicht für die Produktion eigener Bücher genutzt. Sie hat diese Aufgabe und Arbeit den Nachgeborenen überlassen. Nach ihrem Tod 1998 ging ihr Nachlass – alle Dokumente und Unterlagen – an das Institut für Zeitgeschichte in München. Das IfZ hat den gesamten Bestand erschlossen, das heißt geordnet, katalogisiert und jedes Dokument verfilmt. Seit dem Oktober 2005 liegt das »vorläufige Findbuch« für den Nachlass Inge Aicher-Scholl vor (IfZ-Signatur ED 474). Es umfasst 812 Seiten und ist im Internet einsehbar; Wegweiser zu einem ungeheuren, bisher kaum gehobenen Schatz. Diese Biografie der Sophie Scholl lebt davon, dass das außergewöhnliche historische Erbe erstmals umfassend und ausgiebig zu Wort kommt.
»Brave, herrliche junge Leute! Ihr sollt nicht umsonst gestorben, sollt nicht vergessen sein! … die ihr, als noch Nacht über Deutschland und Europa lag, wusstet und verkündetet: ›Es dämmert ein neuer Glaube an Freiheit und Ehre.‹«
Thomas Mann
über Sophie und Hans Scholl und die Weiße Rose
in seiner Radioansprache der BBC am 27. Juni 1943
ANHANG
QUELLEN UND LITERATURHINWEISE
Die meiste Recherche-Zeit habe ich im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte in München verbracht. Alexander Markus Klotz M. A. war dort mein erster Ansprechpartner und reagierte spontan positiv auf meine Biografie. Petra Mörtl M. A. war bei der Arbeit im IfZ stets freundlich zur Hand, umgehend meinen Bitten um Filmrollen nachzukommen, und manches Gespräch hat sich daraus ergeben. In Forchtenberg hatte Renate S. Deck, die in ihrem Atelier im Würzburger Tor die »Gedenkstätte Weiße Rose i-punkt« errichtet, Anstoß für einen Scholl-Pfad gegeben und Ausstellungen organisiert hat, Zeit
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