Sophie Scholl
Wäschegarnituren fand Traute Lafrenz »Rollen mit cirka 1000 Adressen aus Frankfurt, Wien und München, dazu Druckerschwärze und ähnliches«.
24. Februar, Mittwoch – In Ulm steigen Robert und Lina Scholl und Inge Scholl wieder in den Zug nach München. Elisabeth Scholl wird direkt von Ingolstadt kommen, Werner ist ohnehin in München. Für 17 Uhr 15 ist die Beerdigung von Sophie und Hans Scholl auf dem Friedhof am Perlacher Forst angesetzt. Vorher müssen bei der Friedhofsverwaltung die Formalitäten erledigt werden. Für 150 Reichsmark kauft Robert Scholl im Gräberfeld 73, Reihe Nr. 19, ein Familiengrab »zur Benutzung für 15 Jahre, überlassen vom Oberbürgermeister der Hauptstadt der Bewegung«. Die Rechnung »über Erdbestattung der am 22.2.43 um 17 Uhr verstorbenen Sophie Scholl« zahlt Robert Scholl im Voraus – 168 Reichsmark. Und erklärt »an Eides Statt, dass die Verstorbene weder Volljude noch Dreivierteljude im Sinne der Nürnberger Gesetze vom September 1935 war«. Noch einmal der gleiche bürokratische Vorgang für Hans Scholl, nur dass seine Bestattung 183 Reichsmark kostet.
Zuerst wird Christoph Probst durch einen katholischen Priester beerdigt. Lina und Robert Scholl, Inge, Werner und Elisabeth und Traute Lafrenz sind dabei. Das Grab von Christoph Probst liegt nur eine Grabstelle von Sophie Scholl entfernt.
Dann werden Hans und Sophie Scholl zu Grabe getragen. Es ist kurz vor Sonnenuntergang, als der protestantische Pfarrer Karl Alt noch einmal den 90. Psalm spricht – »Herr, Gott, du bist unsere Zuflucht für und für« – und den Hymnus der Liebe an die Gemeinde in Korinth mit der Verheißung des Apostels Paulus: »Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.«
Im Dezember 1941 hatte die zwanzigjährige Sophie Scholl auf eine Anfrage ihrer Freundin Lisa Remppis geschrieben, sie habe noch nie über das Fegefeuer nachgedacht, »so wenig als über die ewige Seligkeit«. Deshalb könne sie darüber gar nichts sagen: »Für mich gäbe es nur ein ›in Gott‹ oder ›außer Gott‹ nach dem Tode.« Und vielleicht dachte Werner Scholl vor den offenen Gräbern daran, welche Empfindungen Sophie Scholl am 10. Februar, gerade zwei Wochen war das her, über das Schubert-Lied »Der Wanderer an den Mond« mit ihm geteilt hatte: »Es bleibt kein großes Gefühl, weder des Trostes noch der Entsagung. Und doch erfreut es so und tröstet so wie eine makellose Blume, die blüht, weil sie blüht.«
Am Abend fuhren Lina und Robert Scholl mit ihren zwei ältesten Töchtern zurück nach Ulm. Werner Scholl blieb noch ein paar Tage in München und verbrachte den Rest des Urlaubs in Ulm. Dann musste er zurück nach Russland, an die Front, in den Krieg.
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Am 24. Februar 1943 wurde Alexander Schmorell, steckbrieflich gesucht, in einem Münchner Luftschutzkeller erkannt, denunziert und festgenommen. Am 27. Februar wurde Professor Kurt Huber verhaftet. Zusammen mit Willi Graf verurteilte Roland Freisler beide am 19. April zum Tode. Schmorell und Huber wurden am 13. Juli, Willi Graf am 12. Oktober 1943 hingerichtet. Ein Gnadengesuch wurde abgelehnt mit der Begründung: »Es handelt sich … wohl um den schwersten Fall hochverräterischer Flugpropaganda, der sich während des Krieges im Altreich ereignet hat.«
Unter anderen wurden am 19. April auch verurteilt: Eugen Grimminger 10 Jahre Zuchthaus, Hans Hirzel 5 Jahre Gefängnis, Traute Lafrenz und Gisela Schertling ein Jahr und Susanne Hirzel ein halbes Jahr Gefängnis.
Am 27. Februar 1943 wurden Robert und Lina, Inge und Elisabeth Scholl in Ulm verhaftet. Elisabeth Scholl kam Ende April frei, Lina und Inge Scholl wurden Ende Juli entlassen; Robert Scholl wurde wegen »Abhörens von Feindsendern« zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Ebenfalls am 27. Februar erfuhr Fritz Hartnagel durch ein Telefongespräch mit Werner Scholl erstmals, was geschehen war. Er reiste sofort nach Ulm und unterstützte die Scholls durch Gefängnisbesuche. Ende März öffnete Fritz Hartnagel in der Wohnung am Münsterplatz das Paket aus dem Gefängnis Stadelheim mit Sophie Scholls letzten Sachen, darunter ihr Mantel, in den Taschen noch Mutters Brödle, nicht angerührt. Im Spätsommer 1943 musste er wieder in den Krieg.
Auch Ernst Gruele, Pflegesohn aus den Jahren in Forchtenberg, der inzwischen in der Ulmer Radgasse wohnte, brachte
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