Sophies Kurs
schaffen für zwei kropfartige Organe, die neben dem Mund, der rechteckig ist, ständig auf- und abschwellen wie Blasen. Die Haut zeigt ein schmutziges Graublau, wahrscheinlich verursacht durch das Gift in einer außerirdischen Luft. Dem geöffneten Paletot entströmt ein undefinierbarer Geruch, eine Mischung aus scharfem Käse und verwelkenden Blättern. Er überdeckt den Gestank von verbranntem Fleisch, der noch im Zimmer hängt.
Die Hände des Eindringlings haben Ähnlichkeit mit den Schaufelklauen eines Maulwurfs, doch erinnert die harte schimmernde Haut eher an den Panzer eines Hummers. An diesen Händen klebt Blut, rotes, menschliches Blut.
Der Ankömmling starrt zu dem Mann auf dem Bett herunter – mit einem einfältigen, schwermütigen Gesichtsausdruck. Der Mann nickt. Sein Komplize atmet schwer, sagt aber kein Wort. Er beugt sich über das Bett und bearbeitet Molly mit seinem eigenen Messer, einem ganz gewöhnlichen Edelstahl-Messer, wie es jeden Tag von jedem Metzger im Land benutzt wird. Mit den Eingeweiden soll etwas Abscheuliches, völlig Unnötiges geschehen – wegen Scotland Yard.
Durch die offene Tür kann Mollys Besucher hören, daß das Baby nicht mehr schreit. Tatsächlich dringt kein einziges Geräusch mehr aus dem übrigen Teil des Hauses herauf. Der Mann geht nach unten, läßt aber das Geld auf dem Tisch neben dem Bett liegen. Sein bestialischer Komplize macht sich ans Werk. Unten am Fuß der Treppe stößt der Unscheinbare auf die zweite Bestie, die ebenfalls ein Messer in der Hand hält. Neben ihm liegt der tätowierte Rausschmeißer des Hauses auf dem Boden. Die starren Augen sind vor Furcht geweitet – eine Furcht, die er dort, wo er jetzt ist, nicht mehr empfindet. Sein Schlagstock hat den Gürtel nicht einen Inch weit verlassen. Der Lockenkopf zieht eine Augenbraue hoch. Schwerfällig nickt sein viehischer Gefolgsmann. Er und sein Kumpan im oberen Zimmer sind Hrad vom Planet Jupiter, oder von einem seiner Monde.
Der Besucher geht an dem Wesen vorbei und schaut kurz in die Küche und die anderen Räume im Erdgeschoß. Seine Assistenten haben gemäß ihren Anweisungen ganze Arbeit geleistet. Von denen, die hier hausten, lebt keiner mehr.
Der Lockenkopf fährt mit einem Finger sein Gesicht entlang, dieses unscheinbare Gesicht, und tritt durch die Hintertür nach draußen. Dabei stellt er den Kragen seines erbsgrünen Mantels hoch. Eine Pfütze spiegelt für den kurzen Moment, den er stehenbleibt, seine Gestalt wider. Dann ist er verschwunden. In der nächsten Minute haben auch die Hrad ihr Werk verrichtet und machen sich davon. Sie überqueren einen abfallübersäten Hof und tauchen in dem Gewirr der Gassen unter.
Es regnet immer noch – den fauligen, kalten, rußgeschwängerten Regen der alten Mutter Erde.
KAPITEL I
Ein höchst exklusiver Ort
Von den Stufen des Aeryie kann der Besucher zuschauen, wie im Raumhafen die Schiffe starten und landen. Bei den Neun-Uhr-Abflügen würden uns heute sicherlich die Fregatte
Leventeiá
mit ihrer Boston-Takelage auffallen, und die angsteinflößend geschwärzte
Criollo
von Aparicio Sarmiento, dem Admiral von Argentinien. Nacheinander steigen sie auf, richten ihre Nasen in den dunstigen Himmel, während sich die riesigen blauen Libellen der Region um sie scharen. Mit ihrem metallischen Glanz und den blitzenden Facettenaugen ähneln sie Meisterstücken der Ornament-Kristallerie, Kreationen von Faberge, durch Uhrwerke belebt. In dieser Höhe betrachtet, würde man glauben, daß sie nur so groß wie Adler sind. Gerade schweben sie noch über unseren Köpfen, und im nächsten Moment, als sich die großen Tore des Aeryies rumpelnd und klirrend öffnen, blitzen sie auf und schießen wie Pfeile davon, hinaus in die diamantenen Haine weit in der Ferne.
Ihre Flügel verschwimmen wie ovale Scheiben aus blassem Licht.
Der Aeryie ist eine private Einrichtung, in die man nicht so einfach hineingelangt. Diese Portale aus dunkel glänzendem hiesigen Mahagoni halten alle Menschen fern – außer den besten, die dazu auserkoren und qualifiziert genug sind, sie zu erreichen: die nämlich, die aus dem Himmel kommen, und zwar durch die abstruse Leitfähigkeit des Weltraums selbst. Denn der Aeryie ist Hauptquartier und Sitz der Höchst Ehrenwerten Gilde und der Erhabenen Hierarchie der Piloten von Aether. Er ist ihr College, ihr Club, ihre Zunft-Heimat. Hierher kommt jeder Mann; zuerst meldet er sich als Kadett zur Ausbildung; dann, als Freier, fliegt er
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