Sorry
daß er mal nachschaut.
– Lars?
Kronauer bleibt auf der Türschwelle stehen und steckt nur den Kopf in die Wohnung.
– He, Lars, bist du da?
Sie lauschen, dann sehen sie sich an, und Kronauer sagt: – Wollen wir?
– Okay, sagt Kris, und sie betreten die Wohnung.
Er weiß nicht, was er erwartet hat. Die Wohnung ist normal, einfach nur normal und ordentlich. Es riecht nach After Shave, über einem Stuhl liegt ein Pullover, in der Küche sieht Kris eine aufgeschlagene Zeitung neben einem halb mit Milchkaffee gefüllten Becher.
– Wieso sind die Spiegel verhängt? fragt er.
Kronauer hebt das Tuch an einer Ecke an.
– Keine Ahnung. Im jüdischen Glauben verhängt man ja die Spiegel im Haus, wenn jemand gestorben ist.
– Ist jemand gestorben?
Kronauer schüttelt den Kopf.
– Nicht daß ich wüßte. Soweit ich weiß, ist Lars nicht einmal Jude.
Sie finden das Handy auf der Ablage im Badezimmer. Auch dort ist der Spiegel über dem Waschbecken verhängt.
– Er muß sein Handy vergessen haben, sagt Kronauer.
– Wissen Sie, wo er arbeitet?
– Ich schreibe es Ihnen auf.
Es ist eine Werbeagentur am Alexanderplatz. Kris bedankt sich und verläßt mit Kronauer die Wohnung. Ein Stockwerk darunter verabschieden sie sich mit einem Händedruck. Kris kann nicht glauben, was für ein Glück er hat.
Als er aus dem Haus tritt, lehnt Wolf an der Fahrerseite seines Wagens und hat die Arme vor der Brust verschränkt. Das war’s dann mit dem Glück , denkt Kris und versucht, sich nichts von seiner Panik anmerken zu lassen, während er die Straße überquert und auf Wolf zugeht. Sein Kopf arbeitet und sucht nach Ausreden.
– Sag mal, willst du mich verarschen oder was?
– Wie meinst du das?
– Denkst du, ich kenne dich nicht? Ich bin’s, Wolf, dein Bruder. Ein Pärchen dreht sich nach ihnen um.
– Lauft schon weiter, sagt Wolf.
– Du bist mir gefolgt, versucht Kris die Richtung zu ändern.
– Natürlich bin ich dir gefolgt. Nur weil Tamara auf deine Show hereingefallen ist, heißt das noch lange nicht, daß ich es auch tue.
– Was für eine Show? Ich habe keinen Schimmer, wovon du redest.
– Wo warst du eben?
– Einen Kunden besuchen.
Wolf lacht.
– Einer unserer Kunden wohnt hier, ja?
– Richtig.
Wolf zeigt auf das Mietshaus, das Kris eben verlassen hat.
– Da drüben also? Ist das nicht ein großer Zufall, daß Meybachs Name auch auf dem Klingelschild steht?
Kris wird rot.
– Vielleicht sind Meybach und dieser Kunde dieselbe Person.
– Ach, Scheiße, sagt Kris.
– Richtig, sagt Wolf. Ach, Scheiße.
Sie sitzen um die Ecke im Leonhardt. Die Stimmung ist mies. Wolf will wissen, was Kris sich dabei gedacht hat, eine Solonummer abzuziehen.
– Wer bist du jetzt? Dirty Kris oder was?
– Ich sagte doch, daß ich mich darum kümmern will.
– Das nennst du darum kümmern? Du gehst zu dem Typen nach Hause? Spinnst du völlig? Reicht es dir noch nicht, daß Frauke ertrunken ist?
Kris schweigt.
– Wie bist du überhaupt an seine Adresse gekommen?
Kris erzählt ihm, daß er herausgefunden hat, warum Frauke in der Nacht vor ihrem Tod heimlich in die Villa geschlichen ist.
– Meybachs Nummer war in meinem Handy gespeichert. Frauke hat zweimal mit ihm telefoniert. Samstag nacht und dann Sonntag früh, kurz bevor sie ertrank. Mein ehemaliger Chef hat seine Beziehungen spielen lassen, und so bin ich an Meybachs Adresse gekommen.
– Und was hattest du vor?
– Ich wollte ihn sprechen.
– Allein? Du wolltest einen Typen besuchen, der Leute an Wände nagelt? Sag mal, spinnst du völlig? Der Typ ist ein Mörder!
Kris sieht sich um, niemand hört ihnen zu.
– Denkst du, das weiß ich nicht? sagt er leise und berührt unbewußt die Waffe in seiner Jacke.
Wolf sieht ihn zweifelnd an. Nichts von dem, was sein Bruder da erzählt, klingt durchdacht. Und Wolf weiß, daß Kris nie etwas tun würde, was nicht durchdacht ist.
– Und?
– Was und?
– War Meybach zu Hause oder nicht?
– Er ist bei der Arbeit.
Wolf legt den Kopf schräg.
– Und bevor du mich fragst, ob dieser Meybach unser Meybach ist: Er ist es.
Kris erzählt ihm von dem Handy in der Wohnung.
– Du warst in seiner Wohnung?
Wolf lacht.
– Du verarschst mich doch. Also wenn die Adresse stimmt und wenn dieser Typ unser Mörder ist, dann ist er vollkommen dämlich.
– Oder er fürchtet sich nicht.
Wolf hört auf zu lachen.
– Vielleicht fürchtet er sich wirklich nicht, spricht Kris weiter.
Weitere Kostenlose Bücher