Sorry
draußen erwartet.
Frauke wird überall sein.
– ... Frauke feiern, beendet Wolf den Satz für sie.
– Genau, sagt Tamara und lächelt, Frauke feiern.
Und mit Kris reden , denkt sie und kann es nicht aussprechen. Wovor fürchte ich mich? Sie sind Brüder, sie sind keine Rivalen.
Aber wir kennen uns schon so lange. Wir sind wie eine Ster nenkonstella tion, und niemand verändert eine Sternenkonstellation, ohne daß ein Chaos entsteht.
Wolf wünscht ihr eine gute Nacht und schließt die Zimmertür hinter sich. Tamara bereut es, ihn nicht reingebeten zu haben. Plötzlich ist sie wieder allein mit der Leere, die Frauke zurückgelassen hat.
Sie beginnt mit dem Schreibtisch, räumt die Papiere zusammen,trennt den Computer vom Stromnetz und wickelt die Kabel auf. Sie nimmt die Bilder und Plakate von den Wänden. Sie ist sorgfältig. Sie weiß nicht, was Fraukes Vater von den Sachen haben will, und wenn sie ganz ehrlich ist, interessiert es sie auch nicht wirklich. Das hier ist ihr Abschied.
Die Kartons stellt sie an die eine, die Kleidung an eine andere Wand. Sie braucht drei Stunden, dann ist alles weggeräumt. Nur das Bett hat sie unberührt gelassen.
Erschöpft läßt Tamara sich fallen, und dort, zwischen Laken und Decke, findet sie Frauke und atmet erleichtert ihren Geruch ein. Sie wühlt ihr Gesicht in die Kissen und weint sich in den Schlaf, als wäre sie ein Kind, auf dessen Schultern die Last der ganzen Welt liegt.
Tamara erwacht und ist desorientiert. Es ist sieben Uhr früh. Sie öffnet die Fenster und hat das Gefühl, als würde sie damit Fraukes Geruch freilassen. Sie sieht sich im Zimmer um und ist zufrieden. Sie wird die Brüder nachher bitten, die Kartons mit ihr in den Keller zu tragen. Sie wird sich heute abend um ein gutes Restaurant kümmern. Sie beschließt, noch vor Mitternacht mit dem Trauern aufzuhören.
Tamara balanciert ihr Frühstück auf einem Tablett und stellt es auf dem Tisch im Wintergarten ab. Sie tritt nach draußen in den Garten. Das Haus der Belzens wirkt weiterhin verlassen. Tamara fragt sich, wo sie abgeblieben sind.
Vielleicht gab es einen Notfall in der Familie, oder sie sind verreist.
Sicher, aber warum sagen sie nicht Bescheid?
Und während sie dort steht, badet die aufgehende Sonne das Haus in Licht, und Tamara bemerkt eine Bewegung hinter dem Terrassenfenster. Sie geht über den noch feuchten Rasen hinunter zum Ufer. Der Morgentau ist kühl unter ihren bloßen Füßen. Sie bleibt vor der niedrigen Kaimauer stehen und erkennt jetzt, daß im Wohnzimmer der Belzens ein Mann in einem Sessel sitzt und schläft. Für einen Moment glaubt Tamara, daß es Joachim Belzen ist. Während sie ihn beobachtet, wird der Mann wach und siehtsie an. Reglos, als hätte er die ganze Zeit nur so getan, als würde er schlafen. Kein Erstaunen, nichts.
Das ist nicht Joachim.
Tamara weiß nicht, wie sie reagieren soll. Sie versucht zu lächeln und hebt die Hand. Der Mann steht auf und verschwindet für einen Moment aus Tamaras Blickfeld, dann gleitet die Terrassentür auf, und er tritt aus dem Haus und in den Garten. Vor der Kaimauer bleibt er stehen und ruft ihr zu:
– Ein wunderschöner Morgen. Sie gehören zur Villa, nicht wahr?
– Voll erwischt, antwortet Tamara.
– Helena und Joachim haben von Ihnen erzählt.
Der Mann legt eine Hand auf seine Brust.
– Ich bin Samuel.
– Tamara.
Samuel zeigt mit dem Daumen hinter sich.
– Ich kümmere mich um das Haus, während die zwei Turteltauben an der Ostsee sind.
– Ich habe mich schon gewundert, wo sie stecken, sagt Tamara erleichtert.
Samuel schiebt die Hände in seine Hosentasche und zeigt mit einem Fuß auf das Wasser.
– Ein Wunder, daß sie hier noch keine Brücke gebaut haben. Man ist sich so nahe, daß man sich fast berühren könnte.
Tamara findet nicht, daß fünfzig Meter so nahe sind, daß man sich fast berühren könnte, dennoch nickt sie und schaut aufs Wasser, als würde auch sie sich wundern, daß noch niemand an eine Brücke gedacht hat.
– Ich muß dann mal wieder.
Samuel winkt zum Abschied, verschwindet im Haus und schließt die Terrassentür hinter sich. Tamara dreht sich um, sie will zu ihrem Frühstück zurückkehren und sieht Wolf im Türrahmen des Wintergartens. Sein Anblick erinnert sie daran, wie er gestern in Fraukes Zimmer gestanden hat. Er ist immer da, er ist besorgt. Wolf trägt nur Shorts und hält in der einen Hand Tamaras Kaffeebecher.
– Der alte Belzen hat sich aber verändert,
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