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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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dir aus. Du hast dir zwei Tage freigenommen, so groß war deine Furcht. Du hast in deiner Wohnung gesessen und dich gefragt, was das zu bedeuten hat. Und in dieser Zeit der Ruhe kam dir die Erkenntnis. Die Schuld überflutete dich, und du hast geheult, du hast dich betrunken und kaum aus dem Bett gerührt. Aber was du auch getan hast, der Blick wich dir aus.
     
    Vier Tage nach seinem Tod hattest du den Tiefpunkt erreicht. Die Geister jagten dich. Was wäre gewesen, wenn ich mit Lars gesprochen hätte? Wir hätten über alles reden können. Hätten wir? Gab es einen anderen Weg? Deine rhetorischen Fragen halfen dir kein Stück weiter. Du hattest dich für den einen Weg entschieden, du hattest mit den Konsequenzen zu leben.
    In der vierten Nacht hast du mit Wein angefangen und bist später zu Tequila gewechselt. Gegen neun Uhr abends bist du betrunken das Stockwerk hochgestiegen und in Lars’ Wohnung gegangen. Du hast geheult, du hast auf seinem Sofa gesessen und geheult und gejammert. Da waren Fotos von euch beiden, da war das Leben, das nie mehr sein sollte. Du hast seine Sachen berührt, sogar an seiner Kleidung gerochen, verloren und einsam. Im Bad standest du für einen Moment im Türrahmen, bevor du die Reinigungsmittel aus der Küche holtest und dich darangemacht hast, die Wanne zu schrubben. Dein Mund bewegte sich von allein, all die Worte und Entschuldigungen kamen heraus und kehrten zu dir zurück, weil es niemanden gab, der sie hören wollte.
    Wie du schließlich in der Badewanne gelandet bist, weißt du nicht mehr. Du erinnerst dich, daß von einem Moment zum anderen die Kerzen brannten, der Schaum knisterte, und du lagst bis zum Hals im Wasser, das Gesicht naß von Tränen und Dunst.
    Als das Wasser kalt wurde, bist du aus der Wanne gestiegen undhast dich abgetrocknet. Du hast deine Kleidung auf dem Toilettendeckel liegenlassen und bist nackt in das Wohnzimmer gegangen. Es gab keinen Gedanken, es gab nur die Aktion. Lars war ein wenig größer als du, aber es fiel kaum auf. Du hast dir Sachen aus seinem Schrank genommen. Du konntest dabei nicht aufhören zu heulen. Du hast dich angezogen und auf dem Sofa gesessen, bis keine Tränen mehr kamen. Dann bist du in die Nacht rausgegangen.
    Der Club war neu und lag am Ende der Bleibtreustraße, kurz vor dem Ku’damm. Du bekamst einen freien Tisch und hast weitergetrunken. Später hast du beim Tanzen eine Frau angesprochen. Es war nett, es war natürlich. Ihr habt eine Weile an der Bar gestanden und Brüderschaft getrunken, als sie sich vorbeugte und nach deinem Namen fragte. Und da ist es passiert, du hast ihn bewußt wieder zum Leben erweckt. Lars , hast du der Frau geantwortet . Du hast einfach nur seinen Vornamen gesagt, und die Frau hatte keine Probleme damit. Weshalb auch? Es war faszinierend. Sie hat nicht eine Sekunde gezweifelt. Wieso sollte sie?
    Lars.
    Ihr seid zu ihm in die Wohnung gegangen. Ihr habt in seinem Bett miteinander geschlafen und später an seinem Küchentisch gesessen und seinen Wein getrunken. Ihr hattet ein zweites Mal Sex im Bad. Ihre Hände an den Fliesen, deine Hände an ihren Hüften.
    Fick mich, Lars, fick mich!
    Du hattest schon mit einigen Frauen Sex, aber nie zuvor hat dich eine von ihnen beim Namen gerufen. Also hast du ihr den Gefallen getan. Also fickte Lars sie. Also legte Lars sich mit ihr ins Bett und schlief tief und fest und traumlos. Am Morgen bist du mit einem klaren Kopf erwacht. Du hast die Frau weiterschlafen lassen. Die Euphorie machte dich nervös. Was hatte das zu bedeuten? Wurdest du psychotisch? Drehtest du durch? War das der Weg, den du gehen wolltest? Tribut. Jede Freunschaft erwartet Tribut. Also hast du dich für den Tribut entschieden und bist ins Bad gegangen und hast dich über das Waschbecken deines toten besten Freundes gebeugt und dein Gesicht unter den Wasserhahn gehalten. Als du den Kopf wieder hobst, konntest du deinem Blick im Spiegel noch immer nicht begegnen. Deine Augen wichen dir aus, zuckten nach links, zuckten weg.
    Ich bin’s , wolltest du sagen, aber du wußtest nicht, ob du es wirklich warst.
    Deine erste Reaktion war ein Lachen. Mensch, bin ich fertig , hast du gedacht und den Kopf geschüttelt. Dann bist du nahe an den Spiegel gegangen. Es funktionierte noch immer nicht. Wie zwei gleiche Pole, die aufeinandertreffen. Es gelang dir nicht, den Blick auf dich selbst zu fokussieren.
    An diesem Tag hast du begonnen, deinen Tribut zu zahlen.
    Du hast mit dem Hausbesitzer gesprochen und die

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