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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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war. Du hattest mehr erwartet. Orte mit einer solchen Vergangenheit sollten nicht verlassen sein. Es ist respektlos. Menschen pilgern nach Dachau und Auschwitz, sie schauen sich die Konzentrationslager an, als könnten sie daraus irgend etwas lernen, während einige Meter von ihrem Zuhause entfernt eine neue Form des Grauens stattfindet, ohne daß sie es mitbekommen.
    Es ist recht schwierig gewesen, die richtige Fototapete zu finden. Du bist durch ganz Berlin gefahren, und erst nachdem du im fünften Fachgeschäft einem der Mitarbeiter beschrieben hast, was genau du suchst, ist er ins Lager gegangen und mit mehreren Rollen zurückgekommen.
    Zu deiner Überraschung hat er sie dir alle geschenkt.
    – So einen Scheiß kauft eh keiner mehr, sind seine Worte gewesen.
    Manchmal fragst du dich, ob du mit den Details übertreibst.Dann gibst du dir die einzige logische Antwort. Es geht hier um Erinnerung. Es geht um Details. Dir sind die Details wichtig. Du würdigst die Erinnerung.
    Die Wand ist noch feucht vom Kleister. An der Stelle, an der sich der Metallring befunden hat, ist ein Loch in der Wand zurückgeblieben. Bevor du das Loch mit der Fototapete überklebt hast, mußtest du den Zeigefinger hineinstecken. Du hast die Stelle markiert, das X ist genau auf deiner Augenhöhe.
    Der linke Schuh fällt von ihrem Fuß, als du sie gegen die Wand drückst. Du kommst ihr dabei so nahe, daß dir übel wird. Ihr ohnmächtiger Körper ist weich, und es ist schwierig, ihn in der Vertikale zu halten. All die Stunden im Fitneßcenter lohnen sich endlich. Deine Kraft gibt dir Ruhe. Ihr seid Brust an Brust. Ihr Atem riecht nach kaltem Rauch. Du hebst ihre Arme nach oben, ihre Füße lösen sich einige Zentimeter vom Boden, du holst mit dem Hammer aus und schlägst zu.
    Der Nagel durchbricht widerstandslos die Innenflächen ihrer zusammengelegten Hände. Drei Schläge reichen, dann ragt nur noch der Nagelkopf aus den Handwurzeln hervor. Sie erwacht beim letzten Schlag, eure Augen sind jetzt auf einer Höhe, und sie schreit dir ins Gesicht. Der Schrei verpufft als dumpfes Pochen an dem Isolierband, mit dem du ihr den Mund verklebst. Ihr seht euch an, du wirst ihr nie wieder so nahe sein. Sie zuckt, sie will austreten, dein Körper drückt sie gegen die Wand, hält sie in Position. Panik und Zufriedenheit und Kraft. Immer wieder Kraft. Tränen schießen aus ihren geschwollenen Augen und treffen dein Gesicht. Du hast genug gesehen und trittst zurück. Ihr Gewicht reißt sie nach unten. Der überraschte Blick. Es gibt einen Ruck. Der Schmerz läßt sie erzittern, ein Schauer durchläuft ihren Körper, ihre Blase entleert sich. Der Nagel hält. Sie hängt mit emporgestreckten Armen an der Wand. Der rechte Schuh fällt mit einem leisen Klacken herunter, ihre Zehen scharren über den Boden und suchen Halt. Wenn Blicke dich zerreißen könnten, wärst du jetzt nicht mehr am Leben.
     
    Es ist an der Zeit, sich zu trennen. Du zeigst ihr, wo sie hinsehen soll. Sie will den Kopf abwenden. Du wußtest, daß sie das tun würde.Es paßt. Also trittst du nahe an sie heran und plazierst den zweiten Nagel auf ihrer Stirn. Er ist größer, vierzig Zentimeter lang und hat einen besonderen Namen, den du dir nicht gemerkt hast. Der Mann im Eisenwarenladen hat ihn dir zweimal genannt, und du hast genickt und dich bedankt. Sie erstarrt, als die Spitze ihre Haut berührt. Ihre Augen sprechen zu dir. Sie sagen, daß du das nicht tun wirst. Sie befehlen es dir. Du schüttelst den Kopf. Da kneift sie die Augen zu. Du bist überrascht, du hast mehr Widerstand erwartet. Daß sie erneut nach dir tritt, daß sie sich wehrt.
    Sie gibt auf.
    Deine Lippen berühren ihr Ohr und du flüsterst:
    – Ich war es nicht.
    Sie reißt die Augen auf. Und da ist der Blick, und da ist das Begreifen.
    Jetzt.
    Du treibst den Nagel mit einem präzisen Schlag durch ihren Stirnknochen. Du brauchst vier Schläge mehr als bei den Händen, ehe der Nagel ihren Hinterkopf durchstößt und sich in die Wand bohrt. Sie zuckt, aus ihrem Zucken wird ein Zittern, dann hängt sie still. Helles Blut sickert aus dem Ohr, in das du geflüstert hast; ein dunkler Blutfaden tritt aus der Stirnwunde und wandert zwischen ihren Augen über die Nasenwurzel und die Wange hinunter. Du wartest und beobachtest die Eleganz, mit der sich der Blutfaden über ihr Gesicht bewegt. Bevor er das Isolierband erreicht, reißt du es von ihrem Mund. Speichel sickert über ihre Lippen und vermischt sich mit dem Blut. Das

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