Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
retuschiert. Mir ist sofort klar, dass das Olav sein muss, der Experte für Schmerz und Verlust.
Robbie und Cara stehen am Kircheneingang. Sie sind immer für mich da. In einem Paralleluniversum, in dem das Einzige, was ich mit dem 10. 05. 12 verbinde, mein sechzehnter Geburtstag ist, würde ich Robbie noch als meinen Freund bezeichnen und Cara als meine beste Freundin und wir würden alle drei zusammen planen, an welcher Uni wir uns bewerben, und spekulieren, ob unsere Eltern uns wohl zusammen in den Urlaub fahren lassen. Aber jetzt …
Sie umarmen mich, erst Cara, dann Robbie. Cara sieht aus wie immer – sie hat gerade so eine Phase, in der sie nur Schwarz trägt, sogar am Strand –, aber Robbie, der eigentlich ein absoluter Jeans-und-T-Shirt-Typ ist, sieht in seinem Anzug so viel erwachsener und ernsthafter aus und, ja, irgendwie auch ziemlich sexy. Nur leider weiß ich nicht mehr, ob ich auf diese Weise noch für ihn empfinde.
Dad wirkt verloren. Für ihn ist niemand gekommen.
Nach dem klimatisierten Auto ist es heiß draußen und dann wird es wieder kühl, als wir die dunkle Kirche betreten. Ich fühle mich, als hätte ich Fieber.
Oh Gott.
Das kann doch nicht sie sein, dort in dem Sarg vor mir. Einer nach dem anderen nehmen wir in der ersten Reihe Platz; ich starre auf meine Hände. Alles, nur nicht hinsehen. Meggie ist bei uns, aber gleichzeitig auch wieder nicht. Und sie ist definitiv, mit hundertprozentiger Sicherheit nicht mehr dazu in der Lage, mir zu rätselhaft bedeutungsvollen Uhrzeiten leere E-Mails zu schicken.
Die dröhnende Stimme des Pfarrers füllt die ganze Kirche mit Worten über meine Schwester, ein Mädchen, das er nicht gekannt hat und niemals kennenlernen wird.
»Der heutige Tag ist ein Tag der Trauer, aber auch der Dankbarkeit für das Leben von Megan Sophie London Forster. Die lange Wartezeit, bis Megan zur Ruhe gebettet werden konnte, war schwer zu ertragen für diejenigen, die sie geliebt haben, ganz besonders für Beatrice, ihre Mutter, Glen, ihren Vater, und Alice, ihre Schwester …«
Um mich herum fangen die Leute an zu singen. Sahara schmettert drauflos, genau wie die meisten der Stalker. Aber Kirchenlieder haben Meggie nie etwas bedeutet. Selbst Amazing Grace , der Song, der ihre Fernsehkarriere ins Rollen gebracht hat, war nicht ihre eigene Wahl. Sie mochte im Grunde nur weibliche Solosängerinnen mit ähnlich kraftvollen Stimmen, wie ihre eigene es war. Das hier hätte sie schrecklich gefunden.
Ich denke an sie, wie sie dort unter dem Sargdeckel liegt. Ich weiß, sie trägt Stilettos und ihr zweitliebstes Kleid, das mit den großen handgemalten Mohnblumen drauf. Das seidene weiße Wickelkleid, fließend wie Quellwasser, das sie eigentlich am liebsten mochte, konnten sie ihr nicht anziehen, weil sie darin gefunden wurde. Es ist ein Beweisstück .
Ich dachte immer, Särge wären so massig wie Landrover, um ihre Passagiere sicher ins Jenseits zu bringen. Aber ihrer ist schmal und schnittig, mit Chromgriffen, die nicht robuster wirken als die Riemchen an ihren Stilettos.
In diesem Moment verlässt mich meine Tapferkeit. Und ich fange an zu weinen.
Ich kann das nicht. Ich kann nicht zusehen, wie sie begraben wird.
Es ist das Schlimmste, was ihr passieren konnte. Sie hat die Dunkelheit gehasst, genau wie enge Räume, und was die Erde angeht … meine Schwester hat früher noch nicht mal Sandburgen gebaut, weil sie keinen Dreck unter die Fingernägel bekommen wollte.
Also renne ich nach Hause – zwei Meilen durch die Seitengassen, um niemandem zu begegnen, den ich kenne. Die ganze Zeit versuche ich die Vorstellung aus meinen Gedanken zu verbannen, wie sie in ihrem Grab liegt, die Hände in das schwere Erdreich über sich krallt und nach Luft ringt, aber stattdessen immer mehr Dreck ihre Lunge füllt.
Hat es sich so angefühlt, als der Mörder ihr das Kissen aufs Gesicht drückte?
Meine Hand zittert dermaßen heftig, dass ich den Schlüssel kaum ins Schloss bekomme, und mein Atem geht laut und schmerzhaft.
In meinem Zimmer angelangt, schäle ich mich aus den verschwitzten Kleidern, aber meine Haut riecht noch immer nach Kirche, nach Weihrauch. Nach Tod.
Mit einem Mal kommt mir mein Computer bedrohlich vor. Ich fahre ihn hoch, halb in der Erwartung, mir diese E-Mail nur eingebildet zu haben. Und halb in der Hoffnung, dass ich eine weitere finde.
Aber als ich mich einlogge, ist alles unverändert. Die Mail ist noch da, aber sonst nichts.
Ich starre darauf, falls dort
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