Kaviar, aber das ändert auch nichts. Wir können Megan nicht durch einen Baum ersetzen und auch nicht durch einen Rosenstrauch oder eine verdammte Blumenampel.«
Vielleicht schafft es ja eine Talksendung im Radio, sie zu übertönen. Ich stöpsele meine Kopfhörer in den Laptop.
Was jetzt? Ich könnte Robbie anrufen, aber der will dann sicher nur über die Beerdigung reden, weil er meint, das gehört sich so. Cara würde versuchen, mich mit Geschichten über ihren neuesten Schwarm abzulenken, und das kann ich jetzt auch nicht ertragen.
Bleiben immer noch die Hausaufgaben für Medienwissenschaft, wenn ich ganz verzweifelt sein sollte. Ich nehme mir das Arbeitsblatt vor: Ein globalisiertes, zentralisiertes Medienwesen führt unweigerlich zu einem eingeschränkten Blick auf die Welt. Belege diese These mit relevanten Beispielen.
Na, so verzweifelt bin ich dann doch nicht.
Ich weiß, was ich machen will. Es ist bestimmt zehn Minuten her, seit ich das letzte Mal meine E-Mails gecheckt habe, also wäre jetzt doch ein guter Zeitpunkt, um noch mal nachzusehen. Seit der Beerdigung ist nichts mehr von Meggies Account angekommen. Vielleicht spukt das Gespenst in der Maschine schon längst bei jemand anderem rum. Die ganze Zeit muss ich gegen den Drang ankämpfen, ihr noch eine Mail zu schicken. Klar ist das verrückt, aber nach der ersten habe ich mich immerhin ein winziges bisschen besser gefühlt.
Im Spamordner sind drei Mails, aber keine mit Meggies Adresse.
Ich will die Nachrichten gerade löschen, da sehe ich die Betreffzeile der untersten …
4
An:
[email protected] Von:
[email protected] Datum:
22. September 2012
Betreff:
Meggie Forster hat dir eine Einladung für den Strand geschickt
Liebe ALICE,
MEGGIE FORSTER lädt dich ein, sie am Soul Beach zu besuchen, dem weltexklusivsten sozialen Netzwerk im Urlaubsstil. Die Mitgliedschaft kann allein durch eine Einladung erworben werden, und um deine Anmeldung zu aktivieren, musst du in jedem Fall dem unten stehenden Link folgen.
Wir sehen uns am Strand,
die Geschäftsleitung, Soul Beach
Wo jeder Tag so schön ist wie der vorige.
Wie bitte? Soul Beach?
Ich gehe sofort zu Google, aber da finde ich nichts. Dann versuche ich, die Website soulbeach.org direkt aufzurufen. Meine Hände zittern so stark, dass ich mich ständig vertippe, aber als ich es endlich hinkriege und Enter drücke, friert das Bild ein. Nichts passiert. Gar nichts. Am liebsten würde ich den Computer anschreien, aber dann hört mich Mum. Also flüstere ich nur.
»Was soll das, Meggie? Wo zum Teufel bist du? Bist du überhaupt da?«
Aber natürlich kommt keine Antwort. Wie auch? Ich würde mal sagen, zwei zu null für dieses Schwein, das sich wahrscheinlich ein Loch in den Bauch gefreut hat, weil ich blöd genug war, überhaupt auf die erste Mail zu antworten.
In meinen Ohren rauscht das Blut, so wütend bin ich. Ich muss hier raus. Wohin, weiß ich noch nicht. Irgendwohin, wo ich nicht vor diesem verdammten Bildschirm sitze. Ich schließe Firefox und dann …
Oh Gott.
Ich starre auf den Desktop, der seit Ewigkeiten denselben Hintergrund hat – schon lange bevor das alles passierte. Eine Fotocollage der schönsten Erlebnisse mit meinen Freunden, meinen Eltern und, natürlich, meiner Schwester. In der Mitte ist ein Bild von uns beiden beim Campingurlaub in Frankreich zu sehen, als wir gerade den Kostümwettbewerb als Alice und der verrückte Hutmacher gewonnen hatten. (Natürlich durfte Meggie Alice spielen, auch wenn das mein Name ist. Sie war einfach perfekt für die Rolle.)
Nur dass sie nicht mehr da ist. Wir anderen auch nicht. Die Collage ist verschwunden und an ihrer Stelle ist ein neues Foto aufgetaucht.
Ein Foto des schönsten Strandes, den ich je gesehen habe.
5
Cara liest sich den Ausdruck der E-Mail ungefähr fünfzig Mal durch, bevor sie etwas sagt.
»Die sind doch alle krank, diese Penner.«
Sie steckt sich einen neuen Nikotin-Kaugummi in den Mund. Ihre Mum ist Ärztin und gibt ihr davon eine Packung pro Woche, seit die Schule sie informiert hat, dass Cara hinter der Sporthalle geraucht hat. Was Mummy aber nicht weiß, ist, dass ihre Tochter a) ihre erste Schachtel Zigaretten bereits an ihrem dreizehnten Geburtstag gekauft hat und b) trotz der Kaugummis keineswegs aufgehört hat zu rauchen, sondern sich so lediglich über die großen Pausen rettet, da sie, wenn sie sich noch mal irgendwo auf dem Schulgelände erwischen ließe, sofort von der Schule