schalte meinen Laptop ein, obwohl ich wette, wer auch immer hinter dem ganzen E-Mail-Quatsch steckt, hat sich in den Cyberspace verzogen wie der feige Hacker, der er schließlich auch ist.
Betreff:
Re: Re: Meggie Forster hat dir eine Einladung für den Strand geschickt
Ich starre auf die Betreffzeile. Ich kann nicht glauben, dass er tatsächlich geantwortet hat. Vielleicht liebt der Typ sein Stalkerdasein so sehr, dass er sich jetzt auch mit der zweitbesten Schwester zufriedengibt?
Oder vielleicht ist es wirklich sie.
Nein, so blöd bin ich nun auch wieder nicht, das zu glauben. Ich wäge meine beiden Optionen ab: Öffnen oder Löschen.
Keine Frage, oder?
An:
[email protected] Von:
[email protected] Datum:
24. September 2012
Betreff:
Re: Re: Meggie Forster hat dir eine Einladung für den Strand geschickt
Bitte, Florrie … ich warte schon so lange
Zuerst denke ich, dass ich wohl betrunkener sein muss, als ich dachte. Der Text wirkt eher wie mit der Hand geschrieben, nicht wie irgendeine Computerschriftart, und ist zudem auch noch verwischt, so als wäre die Tinte im Regen verlaufen …
Nur dass es keine Tinte sein kann, oder? Ich habe hier einen Computerbildschirm vor mir und kein Papier.
Aber das ist nicht das Seltsamste an der Sache.
Ich schließe die Augen. Das habe ich mir doch nur eingebildet, oder?
Ich öffne die Augen wieder und es ist immer noch da.
Florrie
Mein vollständiger Name lautet Alice Florence Forster. Gezeugt – mein Gott, wie konnten sie mir bloß aus diesem Grund diesen Zweitnamen geben? – in einem Hotel in Florenz, am Hochzeitstag meiner Eltern. Meggies zweiter Vorname lautet London. Genau genommen wurde sie in einem Einzimmerapartment in Shepherd’s Bush gezeugt, aber selbst meiner Mutter war klar, dass das wohl einen Schritt zu weit gehen würde.
Mein Zweitname allerdings ist ein wohlgehütetes Geheimnis, das nur sechs Menschen kennen: meine Klassenlehrerin, mein Hausarzt, mein Zahnarzt, meine peinlichen Eltern …
… und meine Schwester.
Der einzige Mensch auf der Welt, der es sich erlauben darf, mich Florrie zu nennen.
9
Bitte, Florrie … ich warte schon so lange
Wieder und wieder lese ich den Satz. Kein Punkt am Ende, das sieht meiner Schwester überhaupt nicht ähnlich. Sie war nicht nur ein Gesangstalent, sondern hat auch in Englisch immer nur Einsen mit Sternchen bekommen. Ihr hätte wirklich niemand vorwerfen können, dass sie außer ihrem hübschen Gesicht nichts zu bieten gehabt hätte. Dieser Zeichenfehler beweist, dass mit ihr irgendetwas nicht in Ordnung ist.
Natürlich ist mit ihr was nicht in Ordnung, du dämliche Kuh. Meggie ist tot.
Nur dass ich daran irgendwie nicht mehr glauben kann.
Ich weiß, dass es wirklich sie ist. Genau wie ich wusste, dass die Furcht einflößende Cara meine beste Freundin werden würde, in dem Moment, als ich sie mit elf zum ersten Mal auf dem Schulspielplatz sah, oder dass Robbie der erste Junge sein würde, den ich küssen würde. Ich weiß es.
Außerhalb dieses Zimmers ist alles so, wie es war – ich kann meinen Vater unten auf dem Sofa schnarchen hören, dem einzigen Ort, an dem er noch einigermaßen schlafen kann –, aber hier drinnen ist alles anders. Mein Herz schlägt laut und hektisch. Soll ich ihn aufwecken und ihm sagen, dass Meggie noch da ist?
Ich muss über mich selbst lachen. Genau, zeig ihm drei E-Mails als Beweis dafür, dass deine Schwester noch lebt. Das überzeugt ihn bestimmt. Die weisen dich doch ein, bevor du auch nur »Jenseits« sagen kannst.
Ich könnte Cara anrufen, aber die würde darauf bestehen, sofort vorbeizukommen, obwohl es schon nach Mitternacht ist, und ich wette, glauben würde sie mir trotzdem nicht. Außerdem werde ich ihr bestimmt nicht auf die Nase binden, dass mein zweiter Vorname Florence lautet. Nicht, nachdem ich es elf Jahre lang vor ihr geheim gehalten habe.
Und was ist mit Robbie? Klar, der würde kommen und mich in den Arm nehmen, aber hinter meinem Rücken wahrscheinlich gleich diesem Computerfreak Lewis eine SMS schicken, damit er die Homepage blockiert, und das ist das Letzte, was ich jetzt will. Vielleicht bin ich verrückt, aber das hier ist nun mal alles, was ich habe.
Tja, so sieht’s also aus. Ich bin ganz auf mich allein gestellt.
Ich scrolle durch die Soul-Beach-Mail, bis der Cursor auf dem Aktivierungslink landet. Meine Hand zittert, der Bildschirm scheint im Takt mit meinem Herzschlag zu pulsieren.
»Halte durch, Meggie, ich