Soul Kitchen
tun, darum kümmere ich mich.
»Wo wird gegessen?«
»Im Bistro, ist ein Extraraum dahinten; ich mach gleich Licht. Abends heißt es da: Salon.«
»Ist es nicht unmoralisch, Geld damit zu verdienen, dass andere ihren Körper verkaufen?«, fragte Zinos.
»Ich frag mich nicht, was unmoralisch ist – nicht meine Baustelle. Du hast hier den ganzen Tag mit hübschen Frauen zu tun, das ist doch was. Schwul kommst du mir nicht vor, und außerdem gibt es außer George Michael doch gar keine schwulen Griechen.«
»George Michael ist Grieche?«
»Na, und was für einer! Aber ich fand ihn schnuckeliger, als er noch als Hetero getutet hat. Wie er im Careless Whisper- Video zwischen den Tauen rumeiert, ganz in Weiß – mein lieber Weichzeichner!«
»Also, ich mag nur Mädchen.«
»Sag ich doch. Und mit denen is hier nichts, außer Käffchen und Quatschen, kapischi? Auch nicht aufn Albersplatz aufn Schnaps, nicht mal im Kiosk um die Ecke zufällig treffen. Wenn du bumsen willst, geh ins ›After Shave‹ oder aufn Hamburger Berg, da findest du nach zwölf immer ’ne entgleiste Studentin mit feuchten Schenkeln.«
»Ich habe bisher nur mit Frauen geschlafen, in die ich verliebt war.«
»Und die haben dir das Herz gebrochen?!«
»Ja, aber jetzt geht es mir wieder besser.«
»Du solltest nur noch was mit Mädels machen, wo es nicht gleich rums macht. Und zwar so lange, bis du ein Mann bist.«
»Das hat mein Bruder auch immer gesagt, aber ich konnte gar nichts gegen das Verlieben machen. Es hat sich so gut angefühlt.«
»Ich kann dich leiden, Zinos. Du zerreißt mir die Pumpe, na, was davon übrig ist. Wenn du willst, bist du angestellt.«
»Aber was soll ich in meinen Lebenslauf schreiben?«
»Bleib doch einfach – für immer.«
»Und ich soll wirklich nur kochen?«
»Du sollst schon auch son büschen den Mann im Haus machen. Kannst du was reparieren?«
»Mein Vater hat für Geld alles repariert, der hat mir dies und das gezeigt.«
»Gut, nach ’ner Woche sagst du, ob’s dir gefällt.«
»Meinem Bruder würde es hier gefallen!«
»Kann der kochen?«
»Illias? Keine Ahnung, hab ihn noch nie dabei gesehen.«
»Illias – Kazantsakis?«, rief Linde und wirkte plötzlich etwas angespannt.
»Ähm. Ja. Ist das ein Problem?«
»Habt ihr viel miteinander zu tun?«
»Nö. Zurzeit eigentlich gar nichts.«
»Besser is das Schnucki.«
Plötzlich ging ein Mädchen den Flur entlang, schüttelte einen großen Schlüsselbund, schnalzte mit der Zunge und rief:
»Hey!«
Linde sprang von ihrem Barhocker auf, stellte sich hinter das Mädchen, packte sie an den Schultern und schob sie ein Stück nach vorn.
»Das ist Jennifer. Jennifer, das ist Zinos, unser neuer Mann im Haus.«
Jennifers schwarz gefärbte Haare reichten bis zum Hintern, die Haut war tieforangebraun. Sie schwang den Schlüsselbund hin und her. Er schätzte sie auf Anfang zwanzig. Über ihre riesigen Brüste war ein kleiner Rollkragenpullover gespannt, die enge Jeans ging bis über den Bauchnabel. In ihrem Gesicht war alles ein bisschen zu groß, bis auf die dünnen, aufgemalten Augenbrauen. Über den etwas zu weit auseinanderstehenden Augen klebten riesige Wimpern. Sie starrte Zinos durch grüne Kontaktlinsen an. Ihre große, spitze Nase wirkte gegenüber dem riesigen Mund beinahe klein. Sie zog die fleischige Oberlippe schief hoch, sodass man einen gigantischen schneeweißen spitzen Schneidezahn sah. Jennifer gab ihm die Hand und sagte:
»Tach.«
Ihre Hand fühlte sich weich an, sie drückte nur mit den Fingerspitzen sehr kurz zu. Zinos dachte an Illias und seine Theorien über den Händedruck einer Person, und ob man dieser Person demnach trauen konnte. Jennifers Händedruck passte in keine von Illias Kategorien. Wenn sie keine Nutte wäre, wäre sie eigentlich sein Typ.
»Nenn mich niemals Jenni«, sagte sie zickig.
»Warum nicht?«
»Spitznamen killen den Zauber!«
Jennifer ging, ohne einmal gelächelt zu haben, auf ihr Zimmer. Linde sagte:
»Hast du ihre Brüste gesehen? Seitdem läuft es noch besser. Sie war mal Ballerina, gutes Elternhaus. Keine Ahnung, was in ihrem Kopf schiefgegangen ist. Interessiert mich auch nicht. Sie macht allein ein Drittel der Einnahmen; dabei lehnt sie die meisten ab.«
»Wow«, sagte Zinos.
Er lernte in den nächsten Tagen auch die anderen Mädchen kennen, dazu Toto und den Rottweiler Tiamo, der Anita gehörte. Anita versuchte es seit Jahren nebenbei als Doppelgängerin. Wegen Julia Roberts hatte sie sich
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