Soul Kitchen
zu sehen, dass ich mich doch nicht in dir getäuscht habe. Du bist ein Großer, das wusste ich damals schon, ich hab an dich geglaubt, deshalb hab ich dich ja gefeuert.«
»Warum hast du mir damals nie so was Nettes gesagt?«
»Gelobt wirst du noch genug, wenn du tot bist! Und jetzt gibt es erst mal was zu essen.«
Zinos erfüllte Udo gern den Wunsch, den ganzen Abend in der Lederjacke am Tisch zu sitzen. Obwohl ihm von dem ganzen köstlichen Essen und dem Rotwein immer wärmer wurde. Er hatte noch nie so zartes Fleisch gegessen. Und obwohl er sich so den Bauch vollgeschlagen hatte, aß er zuletzt noch ein ganzes süßes Weihnachtsbrot auf. Es war noch besser als die Kuchen von Tante Eleni. Er würde in der Kälte mehrmals um den Block laufen müssen, um die Kalorien loszuwerden. Zinos und Udo tranken zusammen fast eine ganze Flasche Grappa auf das Wiedersehen. Die Prince- CD gefiel Pavese; Free wollte er sogar mehrmals hintereinander hören. Er weinte ein bisschen und erklärte Zinos lallend, dass er so bald wie möglich eine Ausbildung bei ihm machen sollte. Zinos sagte:
»Du warst damals so wütend, du wolltest nicht mal meine Gründe anhören, und jetzt schenkst du mir die teuerste Jacke, die ich je hatte und willst, dass ich die Ausbildung mache, nur weil ein bisschen Zeit vergangen ist?«
»Ach, Zinos, der stärkste Regen ist auch am schnellsten vorbei«, sagte Udo und schlief kurz darauf im Sitzen ein.
Am Silvesterabend fing er wieder an, bei Pavese zu arbeiten. Schon in dieser Nacht verdiente er eine Menge Geld. Die nächsten Monate arbeitete Zinos jeden Tag und verdiente so viel, dass er endlich einen Führerschein machen konnte. Zinos bestand die Fahrprüfung im zweiten Anlauf.
Und dann begann seine Ausbildung zum Koch.
REZEPT: PAVESES WEIHNACHTSBROT
MAN BRAUCHT
– anderthalb Kilo Hefeteig
– zweihundert Gramm Honig
– hundertfünfzig Gramm Rosinen
– hundertfünfzig Gramm gehackte Mandeln, Walnüsse und Haselnüsse
–hundertfünfzig Gramm zerstoßenen braunen und weißen Kandis
–geriebene Schale einer Zitrone
ZUBEREITUNG
Den Teig mit allen Zutaten verkneten, in eine gebutterte lange Form geben und unter einem Handtuch an einer warmen Stelle mindestens eine Stunde gehen lassen. Dann mit Eigelb bepinseln und in den zweihundertzwanzig Grad heißen Ofen schieben. Man kann immer wieder nachsehen, oh das Brot langsam braun wird. Man kann sich aber auch auf den Duft verlassen, der, wenn das Brot fertig ist, durch das ganze Haus strömt. Der Appetit, den dieser Geruch auslöst, ist ein sicheres Zeichen dafür, dass das Brot nun genau richtig gebacken ist. Wer es zum ersten Mal probiert, soll sich nicht über die Kandisstücke wundern, die an den Zähnen knirschen. Genau so soll es sein.
Ein Espresso verträgt sich mit dem Brot genauso gut, wie danach ein milder Grappa schmeckt und den Magen ein wenig unterstützt. Das Weihnachtsbrot tröstet und wärmt an jedem zu dunklen eisigen Wintertag und hilft, nach einem lauten Abend mit der Familie oder auch sonst zur Ruhe zu kommen.
Udo Pavese stellt sich deshalb abends lieber noch mal in die Küche, bevor er eine Schlaftablette nehmen würde.
Zweiter Brief einer Frau
»Lieber wäre ich mit dir als ohne dich unglücklich. «
Die Berufsschule machte Zinos zu schaffen – ein Irrenhaus voll abgehalfterter Theoretiker. Zinos lernte nicht mal, wie man richtig schnell Gemüse hackte, und behielt in keinem Fach seinen Ehrgeiz bis zum Schluss. Die verrückteste Lehrerin hieß Frau Schlörb; sie sollte die angehenden Köche in Warenkunde unterrichten, was sie auch tat, wobei sie allerdings selten von ihrem Lieblingsthema abwich: dem Konservieren. So lernte er alles über Einsalzen, Pasteurisieren, Kandieren, Trocknen, Einkochen, Einmachen, Einlegen in Essig, Alkohol, Zuckersirup, das Kühlen, Einfrieren, Vakuumieren, Räuchern und Pökeln aller erdenklichen Lebensmittel. Zinos träumte von konservierten Leichen, die in Frau Schlörbs Wohnung lagen.
Herr Punzel, der den Umgang mit Fleisch lehren sollte, lebte seit einigen Jahren vegan und gehörte einer hinduistischen Sekte an. Sein Ekel vor totem Fleisch und alternative Möglichkeiten, an Eiweiß zu gelangen, waren sein eigentliches Thema. Frau Bielfeld, die Lehrerin, die die Klasse wiederum in Geschäftliches des Restaurantalltags einweihte, war die dickste Frau, die Zinos je gesehen hatte. Nach jedem Satz hechelte sie. Zu Beginn des zweiten Ausbildungsjahres begleitete ein Fernsehteam Frau Bielfeld
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