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Soul Kitchen

Soul Kitchen

Titel: Soul Kitchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmin Ramadan
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auf Schritt und Tritt. Der Sender machte eine Dokumentation über ihre Magenverkleinerung. Und so kam es, dass Zinos Frau Bielfeld eine Weile später im Fernsehen von innen sah. Man hatte eine Kamera in ihren Magen eingeführt, um das Werk des Chirurgen besonders anschaulich zu machen. Oft schwänzte Zinos die Schule, um Udo in der Küche auszuhelfen. Dann arbeitete er am Grill oder dem Pizzaofen.
    An einem dieser Tage erwähnte Udo nebenbei, dass er mit Sabine und seinem Sohn Donny nach Turin gehen werde, um dort ein anständiges Restaurant zu eröffnen.
    »Du kannst mich doch nicht einfach hier alleine lassen!«, rief Zinos.
    »Du hast doch die Lederjacke.«
    »Was soll ich mit ’ner Scheißlederjacke, wenn du weg bist?!«
    »Du brauchst mich nicht mehr, und ich bin jetzt alt genug, um frei zu sein.«
    Udo hätte Zinos besser nicht kurz vor der Abschlussprüfung von seinen Plänen erzählen sollen.
    Die theoretische Prüfung bestand Zinos nur knapp. Doch es passierte noch etwas, das seine Konzentration störte. Am Morgen seiner Kochprüfung schlug er die Zeitung auf – und sah Illias. Er war mit ein paar Kollegen ins Alsterhaus eingebrochen. Warum auch immer, es hatte auch noch angefangen zu brennen. Es hieß, dass Illias schon länger wegen verschiedener anderer Delikte gesucht wurde und ihn ein paar Jahre ohne Bewährung erwarteten.
    Zinos versagte bei der Prüfung; eine Sache namens Flädlesuppe machte ihm zu schaffen. Die Einlage waren Pfannkuchenstreifen, was Zinos nicht erinnerte. Er erinnerte sich überhaupt nicht, jemals von dieser Suppe gehört zu haben, er hätte sich an überhaupt keine Suppe mehr erinnern können, nicht mal an Tomaten- oder Kartoffelsuppe. Es gab nur noch Wasser und Salz in seinem Kopf; Salzsuppe hätte er geschafft.
    Er setzte sich, dabei weiß jeder: Man sollte niemals im Sitzen kochen. Der Aufseher mit der größten Kochmütze ging auf und ab. Zinos rechnete damit, dass er dessen große verhornte Pranken zu spüren bekommen würde. Aber niemand schlug ihn, und es knallte nicht. Er briet, ohne zu wissen, er da tat, einen großen Pfannkuchen und ließ ihn in Wasser mit Salz gleiten. Er streute Petersilie darüber, bis nichts mehr zu sehen war. Er schloss die Augen, sah grünes Meer, Felsen aus Pfannkuchen ragten heraus, Inseln aus Pfannkuchen waren in der Ferne zu erkennen. Plötzlich sah er Katerina, die Schildkröte, im grünen Salzwasser schwimmen. Sie lächelte ihn an, strahlte mit Vassilikis Augen.
    »Was ist denn so spaßig, Bürschchen?«, fragte die größte Kochmütze.
    Zinos hatte gar nicht gemerkt, dass er grinste.
    »Nichts, das ist ja das Komische.«
    »Komisch? Soll das da komisch sein – die Scheiße da auf deinem Teller? Ist das komisch? Was soll das überhaupt sein?«
    »Schildkrötensuppe«, sagte Zinos und starrte in den Teller, aber Katerina war nicht mehr da. Tränen schossen ihm in die Augen.
    Als Einziger in seinem Jahrgang bestand er nicht. Udo packte die Koffer, verkaufte den Pizza-Palast, und das Gebäude wurde kurz darauf abgerissen. Zum Abschied hatte Udo ihm eine Visitenkarte in die Hand gedrückt und gesagt:
    »Für dich ist gesorgt, hier bekommst du sofort einen Job!«
    Die Visitenkarte war türkis. In seiner Kindheit gab es ein türkisfarbenes Kugeleis; Zinos mochte es damals nicht essen, aber Illias hatte Tonnen davon vertilgt, bis das Gesundheitsamt es verbot, weil der Farbstoff im Verdacht stand, die eine oder andere Krankheit auszulösen. Auf der türkis leuchtenden Karte stand: Jeanny’s Dinner Club - Linde Ping. Dazu eine Kiezadresse. Udo meinte, Linde sei eine alte Freundin, eine gute Frau.
    »Ist das ein Puff?«, fragte Zinos.
    »Und wenn schon?«, sagte Udo.
    »Das unterstütz ich nicht. Dass Frauen sich verkaufen.«
    »Überleg’s dir, sei nicht dumm. Vielleicht ist es ja das Paradies!«
    »Das Paradies ist doch nur ’ne optische Täuschung.«
    An einem Morgen, ein paar Wochen nach Udos Abreise, funktionierte Zinos’ Radiowecker plötzlich wieder. Er hatte ihn jeden Abend gestellt, aber nichts war passiert. So konnte Zinos die Tage verschlafen, ohne sich schuldig zu fühlen. Doch dann hatte das olle Ding sich plötzlich erholt. Das Lied, das laut in seinen Unterwassertraum mit Schildkröten hineinschallte, war Bill Contis Gonna fly now, der Titelsong von Rocky. Lange war das sein und Illias’ gemeinsames Lieblingslied gewesen. So lange, bis Illias anfing, nicht mehr zu Hause zu schlafen.
    Zinos stand auf wie in Trance, haute sich wie

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