Soul Kitchen
normal.
Zinos war froh, sich wieder besser aufs Kochen konzentrieren zu können, da Toto nun tatsächlich arbeitete. Seit er so lange weggewesen war, stand Linde plötzlich zu Toto; sie waren jetzt offiziell ein Paar. Nur noch ab und zu ließ er im Aschenbecher ein paar Streichhölzer in Flammen aufgehen.
Niemals wurde so viel zu essen bestellt, dass Zinos wirklich ins Schwitzen geriet oder eine Küchenhilfe gebraucht hätte. Da er nun nicht einmal mehr an der Bar zu tun hatte, verdiente er sich ab und zu was mit ausgiebigen Massagen der Mädchen dazu. Nur Jennifer ließ sich nie von ihm massieren.
Der Stress, den Zinos aus dem Pizza-Palast gewohnt war, kam bei Linde nie auf. Sie behauptete, alle seien wegen ihrer stimmungsaufhellenden Rezepte so entspannt. Doch nie waren all die Zutaten im Haus, die man für Lindes sonderbare Gerichte gebraucht hätte.
Auf der Karte standen: Glücklicher Putersalat, Kesser Kasslersalat, Käptens Krabbensalat, Blutwurstsalat Baby Doll, Sandwich Samba, Salat Ei Ei, Pikante Pilze Singapurnights, Reis Maharadscha, Fleischsalat Junger Jäger, Krabben Costa del Sol, Melonensalat Sofìa Loren, Milchreis Cleopatra, Pariser Papayasalat mit Speck, Apfel-Feigen-Salat Eva & Adam, Südfrüchtchen mit heißer Soße.
Dreimal die Woche kochte Zinos scharfe Ochsenschwanzsuppe mit Linsen. Das reichte für alle Gäste und wurde oft bestellt. Auch die Mädchen liebten die Suppe, und auch Zinos selbst aß sie gern. Noch nie hatte ihm etwas, das er selber gekocht hatte, so geschmeckt.
Den Freiern bemühte er sich auszuweichen. Es reichte ihm schon der Geruch, der immer eine Weile im Haus hing, bis endlich jemand Grüner Apfel versprühte. Auch Totos Kokelei hatte den Schweißgeruch immer neutralisiert.
Bis zum Sommer l999 beachtete Jennifer Zinos kaum. Dann, an einem besonders heißen Tag, hatte Zinos nichts zu tun; sie kam nachmittags in die Küche. Zinos wusste nicht, ob sie mit jemandem zusammen war. Die meisten der Mädchen hatten einen Freund oder sogar einen Ehemann, aber die Partner hatten Hausverbot.
Jennifer setzte sich an den Tisch. Das hatte sie bisher noch nie getan , nicht mal bei der Weihnachtsfeier. Mit jedem der Mädchen hatte Zinos ab und zu geplaudert, aber Jennifer war kein Mädchen, mit dem man plauderte, sie war eine, bei der Zinos sich immer fürchtete, etwas Falsches zu sagen.
Sie war barfuß, hatte nur eine kurze Jeans an und ein buntes Ding, das die Brüste umspannte. Sie hatte einen grünen Strassstein im Bauchnabel und in der Zunge einen Ring. Ihre Haare waren zu unzähligen kleinen Zöpfen geflochten. Es war heiß in der Küche. Zinos briet sich gerade ein Steak.
»Willst du auch was zu essen? Ich hab noch mehr Fleisch.«
»Nee, ich brauch mal jemanden zum Reden«, sagte sie.
Er warf ein paar Rosmarinzweige in die Pfanne, dazu ganze Knoblauchzehen.
»Du sollst doch hier nichts mit Knoblauch machen«, sagte sie und legte ihre langen Beine auf den Tisch.
»Apfelspray macht den Geruch weg. Linde kommt erst heute Nachmittag.«
»Es stört aber mich!«, sagte sie gewohnt zickig.
Zinos drehte das Fleisch um, es zischte.
»Also, hörst du mir zu?«, sagte sie.
»Okay, was ist los?«
»Ich bin unzufrieden«
»Womit?«, fragte er.
»Ich werde in ein paar Jahren dreißig, ich kann doch nicht ewig so weitermachen.«
»Und was hab ich damit zu tun?«
»Ich dachte, wir ticken da ähnlich.«
»Wir beide? Du und ich?«
»Du bist der einzig Intelligente hier außer mir, und du willst das hier doch auch nicht für immer machen?!«
»Doch, mir geht’s gut hier. Is so ’ne Art Paradies.«
»Bullshit, im Paradies riecht es nicht nach Raumspray. Außerdem wirst du auch nicht jünger. Willst du hier ohne Tageslicht versauern?«
»Ich fühl mich noch nicht alt oder so, ich zerbrech mir nicht den Kopf, ich bin froh, dass ich nicht mehr der kleine Zini bin. So hat mich mein Bruder früher immer genannt.«
»Fühlst du dich erwachsen oder so was?«
»Erwachsensein, ey!, ist doch voll keine große Sache, Mädchen!«
»Ja, sag mal, was ist es dann?«
Zinos erinnerte sich plötzlich an Bos Worte und sagte:
»Erwachsensein bedeutet, man kann seine Verletzbarkeit besser verstecken und verdient Geld.«
»Genau, das ist es! Mehr nicht. Scheiße, ich hab immer gedacht, alles wird besser, wenn man groß ist, aber es ist alles nur beschissener, weil man jetzt selber Schuld ist. Früher hat es mir gereicht, meine Eltern zu hassen, um alles andere auszuhalten .
Jennifer hatte
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