Soulbound (Ghostbound) (German Edition)
Morgen.
Sie legte ihre durchgeschwitzten Kleider ab, warf sie über den Sessel am Fenster und verschwand im Bad. Bevor sie unter die dampfend heiße Dusche stieg, legte sie Daniels Armband sorgsam auf die Ablage, darauf bedacht, dabei nicht ihrem Spiegelbild zu begegnen.
Während ihr das Wasser wohltuend über die Haare, das Gesicht und die verkrampften Muskeln ihres Körpers rann, bemühte sie sich, über die neuesten Erkenntnisse mit der nötigen Distanz nachzudenken. Wer war dieser alte Mann wirklich? Sie versuchte sich so genau wie möglich daran zu erinnern, was Sir Thomas gesagt und wie er sich verhalten hatte. Was hatte Daniel über ihn erzählt, und was hatte sie im Rahmen ihrer Recherche über ihn im Internet gelesen?
„Oh verdammt!“ Die Erkenntnis zuckte wie ein Stromschlag durch ihre Glieder, denn plötzlich wusste sie, wo ihr der Name Stan Gilbertson, der Name ihres Entführers, schon einmal untergekommen war. Und schlagartig fügte sich das Bild zusammen.
Hastig drehte sie die Dusche ab und griff nach dem bereitliegenden Handtuch. Nur dürftig abgetrocknet und mit noch immer triefend nassen Haaren, stieg sie in die nächstbeste Hose und T-Shirt, nahm ihren Laptop vom Bett und rannte, kleine Pfützen auf dem Boden hinterlassend, ins Wohnzimmer.
„Es sind die Schulen!“, rief sie noch im Flur. Zu ihrem Erstaunen stand Riley am Küchentresen und bereitete sich ein Sandwich zu. „Hey, du bist ja schon wieder da“, begrüßte sie ihn knapp. Dann fuhr sie aufgeregt fort: „Die Mitglieder des Kultes waren allesamt auf einer der von Hamilton unterstützten Privatschulen!“ Sie ließ sich neben Susan auf die Couch fallen, klappte ihren Rechner auf und öffnete die Datei mit dem abgespeicherten Internetartikel, den sie am vergangenen Sonntag während ihrer Recherche entdeckt, und Auszüge davon in ihren eigenen Text eingearbeitet hatte.
„Langsam, Elizabeth. Was sagst du da?“ Wood, der eben noch die Neuigkeiten für Susan und Riley zusammengefasst hatte, stellte sich hinter das Sofa, um über Elizabeths Schulter hinweg auf den Bildschirm zu sehen.
„Mir ist eben wieder eingefallen, in welchem Zusammenhang ich den Namen Stan Gilbertson schon einmal gehört habe“, erklärte Elizabeth atemlos. „Und zwar in einem Bericht über die besonderen Erfolge der von Sir Thomas subventionierten Schulen. Er enthielt eine Auflistung von angesehenen Persönlichkeiten, die allesamt aus einfachen Verhältnissen stammten und dank eines von Hamilton finanzierten Stipendiums eine seiner Privatschulen besuchten. Hier ist sie.“ Elizabeth zeigte auf den entsprechenden Absatz. „Richter, Staatsanwälte, Vorstände, Ärzte, Politiker, Redakteure. Die Liste deckt sämtliche Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft ab. Und hier“, ihr Finger tippte auf den Bildschirm. „Stanley Gilbertson. Kein Wunder, dass Sir Thomas nicht besonders erfreut über diesen Teil meines Artikels war. Ich verwette alles, was ich habe, darauf, dass wir feststellen werden, dass auch Dr. Mortimer auf einer der drei Schulen war. Bestimmt gehört auch Warrens Schule für Hochbegabte dazu und sein Stipendium wurde von Hamiltons Stiftung bezahlt. Es war die ganze Zeit direkt vor unseren Augen. Ich fasse es nicht, dass ich nicht früher darauf gekommen bin!“
„Alles talentierte Jungs aus ärmlichen Verhältnissen“, Wood kratzte sich grübelnd am Ohr und überflog den Text. „Und dank Hamiltons Großzügigkeit machen sie eine glänzende Karriere.“
„Und gelangen auf diese Weise zu jede Menge Geld und Macht“, ergänzte Susan.
„Ganz genau“, bestätigte Elizabeth. „Jedes Jahr fünfzig neue hoffnungsvolle und begabte Teenager, die der Kult nach seinen Vorstellungen formen kann. Und das seit über fünfzig Jahren.“
„Was bedeutet, der Kult zählt im Moment mindestens zweitausendfünfhundert Mitglieder“, überschlug Riley, der sich, ausgestattet mit seinem Snack, neben Wood gestellt hatte. „Die Thuggees scheinen ihrer Tradition treu geblieben zu sein. Sie bieten demjenigen, der sich voll und ganz dem Kult verschreibt, einen Weg aus der Armut, und sie entgehen der Entdeckung, indem sie alle wichtigen Bereiche der Gesellschaft infiltrieren und so ihre Existenz erfolgreich verschleiern.“
„Aber wie kann das sein?“, fragte Susan. „Diese Männer führen ein öffentliches Leben, allen voran Sir Thomas. Er ist schon fast eine Berühmtheit. Wie kann so jemand einem mörderischen Kult angehören, ohne dass jemand davon
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