SOULMATE (German Edition)
den Bildschirm zu richten, aber die meiste Zeit starrte ich in die Luft oder hatte meine Augen geschlossen.
In meinem Kopf führte ich einen endlosen Dialog mit Finn, bei dem ich ihm all die Dinge sagte, wofür er mir keine Gelegenheit gegeben hatte, oder wofür ich keine Formulierung und keinen Mut gefunden hatte. Ich wusste, dass diese imaginären Gespräche nichts ändern konnten, und doch halfen sie mir - auch wenn sie sich nur in meinem Kopf abspielten - auszusprechen, was auf meiner Seele und in meinem Herzen brannte …
Nur noch auf diese Weise konnte ich meine extremen Gefühle für ihn zum Ausdruck bringen, all diese neuen Gefühle, die nicht rational, aber phänomenal waren, konnte ein Vokabular benutzen, dass aus der Feder von Autoren für kitschige Liebesromane stammen könnte. Nur so konnte ich die tiefe Traurigkeit ansprechen, die unsere Trennung bei mir ausgelöst hatte, ohne dafür eisige Blicke aus seinen einzigartigen Augen zu kassieren …
Ich musste mir eingestehen, dass ich litt wie ein Hund … Nein, dieser Zustand war kaum aushaltbar, wie sollte das gehen? Ich hatte keinen Plan …
Ich war am Boden zerstört …
Und dann klingelte es an der Haustür …
Verschreckt fuhr ich zusammen wie ein konditioniertes Laboräffchen, das in seinem Käfig auf einen schrillen Signalton reagiert, der, oh oh, nichts Gutes verheißt.
Wer mochte das sein?
Sofort fiel mir Toms SMS ein.
Oh, nein, nein, nein, ich konnte und wollte ihm nicht aufmachen, nicht so, in diesem erbärmlichen Ausnahmezustand, der mich fest im Griff hatte.
Geh weg!
Dann klingelte es wieder: erst lang, dann kurz, … kurz, laaang, laaang, kurz, kurz … laaaaaaaaaaaang …
Ich habe eine dieser klassischen Türklingeln, deren Ton durchgehend ist, wenn man den Knopf gedrückt hält.
Ich hielt es kaum mehr aus …
Vielleicht wollte ich Tom unbewusst doch sehen, damit ich meine Verzweiflung und Wut auf ihn abfeuern und meine Schuldgefühle wegen Finn bei ihm abladen konnte …?
Okay, lassen wir diese beknackte Laienpsychologie …!
Die Wahrheit, warum ich entschied, die Tür doch aufzumachen, war mit großer Wahrscheinlichkeit, dass Tom Nowak - in gewisser Hinsicht und trotz allem - ein vertrauter Mensch war, der, egal weshalb, vor meiner Tür stand, während ich in einer krassen Krise steckte wie in einem schlammigen Sumpf …
Also kroch ich aus dem Bett und trippelte zur Freisprechanlage.
»Mach bitte auf, ich bin‘s«, sagte eine resolute männliche Stimme, die wie Tom ... und doch nicht wie Tom klang …
Ich hielt irritiert inne…
Nein, sie klang nicht wie Tom! Sie klang doch eher wie … wie … Finns Stimme! Aber das war ja praktisch nicht möglich …
Ich drückte auf die Türöffnertaste … Gleich würde ich sehen, wer ...
Du siehst aus wie der Tod auf Latschen, Valerie!
Ich versuchte erst gar nicht, irgendetwas mit meinem Gesicht zu machen, um wie ein Mensch auszusehen, zog mir aber wenigstens eine saubere Jeans und einen schwarzen Rollkragenpulli an.
Ich steckte gerade meine Haare hoch, als es erneut klingelte, diesmal an der Wohnungstür.
Ich rubbelte über meine verquollenen Augen, stand verunsichert in der Türschwelle zwischen Zimmer und Flur und wartete, bis es ein drittes Mal klingelte: laaaang … kurz, kurz …
Erst jetzt setzte ich mich endlich in Bewegung, um die Tür zu öffnen.
Überrascht ist kein Ausdruck!
»Hi, Babe, lässt du mich rein?«, nuschelte er betreten.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals, der sich abnormal verdickt zu haben schien. Ich schluckte schwer und starrte in dieses Gesicht, dass für mich das schönste melancholische Gesicht aller Zeiten sein wird …
»Finn?!«
Fassungslos machte ich einen Schritt zur Seite und ließ ihn eintreten.
Mit ihm kam ein Schwall Kälte in die Wohnung, der nach frischem Schnee roch. Er trug seine beige Wildlederjacke, die ausgeblichenen Jeans und eine schwarze Wollmütze, unter der die Spitzen seiner Haare gekringelt hervorquollen. Obwohl es inzwischen beißend kalt geworden war und auch schon geschneit hatte, trug er immer noch seine türkisblauen Chucks. Ich fragte mich, ob er denn keine anderen Schuhe - richtige Winterschuhe - besaß, denn so musste er doch kalte Füße … ach … Ich sah ihn an und wusste im Grunde nicht, was ich denken oder wie ich mich verhalten sollte, jetzt, wo er wieder vor mir stand, sogar freiwillig zu mir gekommen war, nach all seinen verletzenden Worten und Beleidigungen, fühlte aber diese
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