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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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konnten. Es heißt ja immer: «Ihr müsst aufpassen, dass auch noch Zeit für euch übrig bleibt.» In vorbildlicher Gefügigkeit taten wir also, was die Leute sagten. Wir folgten dem Rat von Millionen von Menschen, die diesen Weg der Desillusionierung vor uns gegangen waren. Aber wir stellten uns eigentlich gar nicht so dumm an. Unsere Liebe kam wieder in Fahrt, und selbst unser Sexualleben nahm annähernd brauchbare Züge an. Wir bekamen wieder Farbe, und ich nutzte die Gelegenheit, um Fotos zu machen. Paul lebte im Blitzlichtgewitter. Er war wie ein unter japanischen Fittichen stehendes Denkmal. Ich besitze unzählige Bilder von ihm. So bleibt jeder Tag seines Lebens unvergesslich. Auch von Louise schoss ich viele Fotos. Es machte mir Spaß, ihr Gesicht durch das Auge der Kamera hindurch zu betrachten. Ich entdeckte dabei Details, die mir bisher gar nicht aufgefallen waren, und sagte mir, es gab noch so viele Facetten an meiner Frau, von denen ich nichts wusste.
    «Wir müssen mal ein paar Tage wegfahren, du und ich.»
    «Und Paul?»
    «Lassen wir hier. Er ist jetzt zwei. Da kann man schon mal vier Tage wegfahren. Das wird uns guttun.»
    «Okay», meinte Louise. «Aber wohin?»
    «In eine andere Stadt?»
    «Ach nein … ich will lieber ans Meer.»
    «Na, wie wär’s dann mit Barcelona?»
    So einigten wir uns auf Barcelona. Es war eine einfache Entscheidung, eine Stadt, die jedem gefällt. Ich wäre zwar lieber nach Prag oder Sankt Petersburg gefahren, aber Barcelona war im Prinzip genau das Richtige für uns (nun ja, fast).
     
    Im Flugzeug sagte Louise die ganze Zeit: «Hoffentlich geht alles gut.» Ich sollte auf dieser Reise merken, wie schwer es ihr fiel, ihr Kind abzugeben. Wir hatten es ihrem Vater anvertraut, der sich richtig freute, auf Paul aufpassen zu dürfen. Er hatte seine Zelte bei uns aufgeschlagen, und die Tagesmutter sollte ab und zu vorbeischauen, um ihm bei den praktischen Dingen zur Hand zu gehen. Es gab also keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Als wir ankamen, stiegen wir gleich ins Taxi Richtung Meer. Louise entspannte sich allmählich und meinte zu mir: «Danke, Schatz. Das war eine gute Idee mit der Reise. Es wird bestimmt wundervoll.» Und es wurde tatsächlich wundervoll, am Anfang zumindest. Unser Zimmer war traumhaft. Ich konnte nicht umhin, beiläufig zu kontrollieren, ob auch jede Kleinigkeit in Takt war: Ein sich in einem anderen Hotel einquartierenderGeschäftsführer eines Hotels ist doch nie so richtig im Urlaub. Den gesamten ersten Tag verbrachten wir im Bett. Das Wetter war so schön. Wir ließen das Fenster ein bisschen offen und wiegten uns in guter katalanischer Laune. Der Stadtplan lag ausgebreitet bei uns im Bett, wir sagten «hier müssen wir hin» und «da müssen wir hin», aber vorerst mussten wir nirgendwohin, wir inspizierten die schönste Ecke dieser schönen Stadt: unser Bett.
     
    Tags darauf spazierten wir in dem von Antoni Gaudí entworfenen Parc Güell herum. Der feenhafte Ort schien geradewegs einem Märchen der Gebrüder Grimm entsprungen zu sein. Die Häuser sahen aus wie Pfefferkuchenhäuschen. Ich fand es toll, mit Louise hier herumzulaufen, wo die Regeln der Zeit nicht zu gelten schienen. Alle drei Stunden rief sie ihren Vater an, um sich zu erkundigen, ob alles in Ordnung war. Wie zwei Idioten klebten wir am Telefon und lauerten auf ein Kinderglucksen. Louises Vater machte einen ganz zufriedenen Eindruck: «Ach echt, bei euch scheint die Sonne? In Paris regnet’s!», meinte er, als wäre Barcelona die Stätte der Verdammten. Nachdem wir aufgelegt hatten, regten wir uns über seinen Fimmel auf. Im Alter kommen Manien stärker zum Vorschein, die Persönlichkeit beschränkt sich zunehmend auf einige wenige Merkmale. Louises Vater redete mittlerweile von fast nichts anderem mehr als vom Regen. Und ich fürchtete, er würde, um meinen Sohn für sein Faible zu begeistern, diesen im Regen spazieren führen, ohne zu bedenken, dass der sich leicht eine Bronchitis einfangen konnte.
     
    In der folgenden Nacht geschah etwas Seltsames: Louise und ich wachten zur gleichen Zeit auf, und im Halbdunkel sahen wir uns stumm an. Ich legte meine Hand kurz auf ihre Wange, sie tat es mir gleich, der zärtliche Augenblick schien in einen Traum zu gehören. Wir murmelten unhörbare Liebesworte. Ich erinnere mich, ich dachte in dem Moment, dass Barcelona die schönste Stadt der Welt ist. Dann nahm die Nacht wieder ihren Lauf. Im Morgengrauen zog Louise sich rasch an. Ich lag

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