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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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abstürzte. Als Wayne Shorter die Schreckensnachricht erhielt, saß er wie versteinert da. Die Veranstalter leiteten die nötigen Schritte ein, um das für den Abend geplante Konzert abzusagen. Doch Wayne Shorter sagte einfach: «Wir müssen spielen.
»
Später erinnerte er sich, er hatte diesen Gedanken, er müsse sich augenblicklich in die Musik flüchten.

63
    Die erste Zeit war hart, daran ist nichts Besonderes. Paul steckte voller Energie und schlief wenig. Louise gab das Stillen bald auf, das engte sie zu sehr ein, und ich glaube, es war ihr auch unangenehm, ihm die Brust zu geben. Nachts wechselten wir uns ab. Ich drehte mich im Kreis und las ihm
Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
von Milan Kundera vor. Das klappte nicht wirklich gut. Kundera ist ungeeignet, um ein Kind in den Schlaf zu wiegen. Ich probierte es mit Proust, und die Resultate waren überzeugender. Bereitsnach wenigen Seiten konnte ich Paul in sein Bettchen legen. Er gönnte uns ein paar Stunden Erholung. Leider konnte ich nur schlecht einschlafen, wenn ich schon wusste, dass ich in drei Stunden wieder aufstehen musste. Meist war es so, dass Paul aufwachte, sobald ich endlich eingeschlafen war. Manchmal legte ich mich am Nachmittag in ein freies Zimmer und hielt Siesta, ich musste ja zügig wieder anfangen zu arbeiten. Das machte mir die Sache dann einigermaßen erträglich.
     
    Louise ging es nicht gut. Mit dem Abstand kann ich das jetzt klar benennen. Aber damals habe ich nicht so recht kapiert, was mit ihr los war. Sie hatte wohl das, was man als Babyblues bezeichnet. Sie war furchtbar deprimiert, und die paar Male, die wir darüber sprachen, legte sie vor allem Wert auf diesen seltsamen Punkt:
    «Ich würde gerne wissen, warum ich mich zeitweise so elend fühle.»
    «Was geht denn überhaupt in dir vor?»
    «Ich weiß nicht, Paul ist wundervoll, alles ist prima, aber ich spüre eine große Leere in mir. Ich glaube, ich falle in ein riesiges Loch.»
    «Vielleicht bist du nicht dazu gemacht, so viel zu Hause rumzusitzen. Fang wieder an zu arbeiten. Das tut dir sicher gut …», meinte ich, wohl wissend, dass gegen unsere Ruhelosigkeit eigentlich kein Kraut gewachsen ist. Louise war sich nicht sicher, und ich noch weniger. Manchmal schaute ich sie an und hatte das Gefühl, dass sie mir langsam entglitt. Aber ich war damals zu müde, um darunter zu leiden.
     
    Die Tage plätscherten dahin, und ich stellte mir nicht viele Fragen. Man muss aber auch sagen: Unser Leben stand nicht ständig unter dem Banner nebulöser Ängste. Wir hatten auch große Glücksmomente. Wenn wir Paul zu uns ins Bett holten und er uns ein strahlendes Lächeln schenkte, schmolz unsere Ermattung dahin. Er gab uns seine Wärme, seine Unschuld und seinen kindlichen Glauben an das Hier und Jetzt. Dann küsste ich Louise, und sie küsste mich, und wir versicherten uns, dass wir uns liebten.
     
    Und hinterher stritten wir uns wieder. Im Gegensatz zu ihr war ich hochempfindlich. Ich konnte es nicht ertragen, wenn sie hysterisch wurde und herumschrie. Während sie sich manchmal einfach nur ein bisschen abreagierte, häuften sich bei mir die negativen Schwingungen. Sie vergaß den Grund unserer Auseinandersetzungen schnell wieder, aber ich brütete lange nach. Das alles war ein Schock für mich. Mir war klar, unsere Zwistigkeiten hingen mit dem Schlafmangel zusammen. Aber ich sagte mir auch, wir warfen uns Dinge an den Kopf, wo es kein Zurück mehr gab. Man konnte danach nicht wieder zur Zärtlichkeit übergehen. Unsere Küsse versöhnten uns, aber es war irgendetwas in uns kaputtgegangen. Unsere Liebe hätte größer sein sollen denn je zuvor, aber sie hatte Risse bekommen.
     
    Alles wurde besser, als Louise wieder zu arbeiten anfing. Indem sie ihre Abc-Schützen wiedersah, war ihr heiteres Wesen zurück. Für Paul gabelten wir eine äußerst kompetente polnische Tagesmutter auf. Als wir sie einstellten, sagteich zu Louise: «Hoffentlich tut sie ihm keinen Wodka ins Fläschchen.» Zugegeben, das war nun nicht der flotteste Witz meines Lebens, aber er hätte es zumindest verdient gehabt, bei Louise auf ein leises Lächeln zu stoßen. Nach einem Moment ließ sie das Lächeln doch noch anklingen: um mir eine Freude zu machen. Ich deutete es als ein Zeichen des Aufbruchs. Paul schlief mittlerweile durch. Wir hatten das Chaos der ersten Zeit überstanden, das glückliche Ereignis überlebt.
     
    Am Abend hatten wir ab und zu einen Babysitter, damit wir zusammen etwas erleben

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