Späte Schuld
mit einem Zwinkern. »Deshalb habe ich auch nie Zeit, mir deine Talkshow anzusehen.«
»Ach ja? Da habe ich aber was ganz anderes gehört.«
»Was denn?«
»Ach, mir hat da so ein Vögelchen gezwitschert, dass du jetzt mit einer gewissen Fernsehreporterin zusammen bist.«
»Du solltest nicht alles glauben, was die Vogelpropaganda von sich gibt.«
»Warum treffen wir uns dann zum Frühstück und nicht zum Mittagessen?«
»Ich dachte, ihr zeichnet mittags die Sendung auf?«
»Du könntest mitkommen und sie dir live im Studio ansehen.«
»Das werde ich wohl verschieben müssen. Ich treffe mich mit einer …« Alex grinste wie ein kleiner Junge, den man auf frischer Tat ertappt hatte.
Elias grinste zurück. »Hatte das Vögelchen also doch recht.«
»Ich weiß doch noch gar nicht, ob was draus wird. Diese Fernbeziehungen funktionieren normalerweise sowieso nicht. Sie wohnt hier in Südkalifornien, und ich lebe in San Francisco.«
»Und du bist noch nicht über Melody hinweg.«
Alex schwieg. Sie waren Freunde, seit er Claymore vor über zwanzig Jahren als Anwalt vertreten und ein geringeres Strafmaß für ihn ausgehandelt hatte. Mit der Zeit hatten sie gelernt, sich gegenseitig zu vertrauen und zu respektieren. Aber sie hatten auch gelernt, sich gegenseitig zu durchschauen.
»Moment mal«, protestierte Alex plötzlich. »Das ist aber nicht der Weg zum Parkplatz.« Er kannte den Los Angeles International Airport in- und auswendig und hatte sofort gemerkt, dass sie auf die Taxihaltebuchten im Untergeschoss zusteuerten.
»Kein Parkplatz heute, Kumpel. Wir nehmen ein Taxi.«
»Taxi? Übertreibst du diese ganze Inkognito-Geschichte jetzt nicht ein bisschen?«
»Mein Auto wurde gestohlen.«
»Gestohlen? Wann? Wie?«
»Vor zwei Tagen.«
»Stellt dir deine Versicherung denn keinen Leihwagen?«
»Doch, bestimmt. Sobald ich dazu komme, mich mit ihr in Verbindung zu setzen. Bisher hatte ich nicht mal Zeit, den Cops den Diebstahl zu melden.«
»Wenn du gestohlen sagst, meinst du dann Carjacking? Mit vorgehaltener Waffe?«
»Spinnst du? Wenn ich da gewesen wäre, hätte ich die Scheißkerle fertiggemacht. Ich bin ausgestiegen, um eine Zeitung zu kaufen.«
»Ich dachte, dein Mercedes hat eine digitale Zündsteuerung? Sind die nicht angeblich kurzschlusssicher?«
»Nicht, wenn man den Schlüssel stecken lässt.«
Alex starrte ihn mit großen Augen an. »Das ist nicht dein Ernst!«
Claymore hob verlegen die Hände. »Ich bekenne mich der Dummheit für schuldig, Euer Ehren.«
Sie lachten beide und setzten ihr freundschaftliches Geplänkel fort, ohne zu ahnen, dass sich über ihnen ein Sturm zusammenbraute.
Freitag, 5. Juni 2009 – 10.15 Uhr
Das Zimmer war in kaltem, klinischem Weiß gehalten. Es sollte nicht nur hygienisch, sondern auch beruhigend wirken, besaß jedoch die Gemütlichkeit eines Science-Fiction-Filmsets.
»Gut, jetzt bitte stillhalten«, sagte Dr. Weiner und nahm zwischen Bethels Beinen den dritten Abstrich.
Bethel hielt still und zwang sich, nicht an das zu denken, was gerade mit ihr passierte oder in den letzten Stunden mit ihr passiert war. Doch je heftiger sie sich dagegen wehrte, desto schmerzhafter überfluteten sie die Erinnerungen.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Bethel und kämpfte gegen die Tränen an. »Wie viele Abstriche brauchen Sie denn noch?«
»Wir nehmen immer mehrere«, erklärte Bridget Riley, die junge Kriminalbeamtin, die einige Meter entfernt stand.
»Aber wozu?«
Bridget hörte an Bethels Stimme, dass die junge Frau all ihre Kräfte zu mobilisieren versuchte.
»Weil manchmal die ganze Probe beim Labortest verbraucht wird und wir vielleicht zur Sicherheit noch einen zweiten Test machen oder eine Probe der Verteidigung aushändigen müssen, damit sie unabhängige Tests durchführen kann.«
Bethel Newton war bereits von allen Seiten fotografiert und gründlich von einer Ärztin untersucht worden, außerdem waren Vaginalabstriche und Fingernagelproben genommen worden. Auch Schamhaarproben gehörten zum Prozedere, aber Bethel war vollständig rasiert. Die im Mundraum entnommenen Abstriche dienten als Referenzproben. Bethels Körper war nun – im polizeilichen Ermittlungsjargon – ein Tatort. Und die Vaginalabstriche und Nagelproben stellten am Tatort gesicherte Spuren dar.
»Ich sehe nicht ein, wozu das gut sein soll«, murmelte Bethel.
»Die Referenzproben sind dazu da, zwischen verschiedenen Spendern zu unterscheiden. Inzwischen gibt es sogar leistungsfähige
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