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Spatz mit Familienanschluß

Spatz mit Familienanschluß

Titel: Spatz mit Familienanschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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blutest ja.«
    »Was war denn eigentlich los?« fragte Markus, obwohl ihn das Sprechen schmerzte.
    »Ach«, sagte Kathrins Freundin, »sie haben Han belästigt.«
    »Wer ist Han?« fragte er trotz seines Brummschädels.
    »Ein vietnamesisches Mädchen, und da haben wir ihr geholfen.«
    »Und wo ist sie jetzt?« Er sah sich im Kreis um, aber da war niemand mehr, nur der Altamura hockte auf Markus’ Schultasche.
    »Wir haben ihr gesagt, sie soll nach Hause laufen«, sagte Kathrin und klopfte Schmutz von seinem Anorak.
    »Wie kommt denn der Dreck hierher?« brummte er sie an.
    »Einmal bist du auf dem Gehsteig gelegen«, sagte Kathrin.
    »Aber nur ganz kurz, dann hast du dich wieder hochgerappelt«, sagte ihre Freundin, und sie sah ihn so eigenartig an, daß er über und über rot wurde. Auf diese Art hatte bisher noch kein Mädchen Markus angesehen und schon gar keines, das älter war als er. Anfang Dezember ließ Lucas Altamura Markus allein in die Schule gehen, er behauptete, daß er sich nicht wohlfühle, in Wirklichkeit wollte er nur überprüfen, ob Markus ihn noch brauchte.
    Lucas plagte nämlich das Heimweh, die Herbststürme an der Küste, der scharfe Wind, der den Salzgeschmack des Meeres weit ins Land hineintrug, das alles fehlte ihm sehr.
    Ungeduldig wartete er auf die Heimkehr von Markus, und er konnte feststellen, daß es auch ohne ihn in der Schule geklappt hatte. Am Abend mochte er nicht hinauf in sein Nest, sondern er blieb in einem kleinen Vogelbauer, in dem sonst nur ein Wellensittich aus Zelluloid war. Das war eine sehr langweilige Gesellschaft. »Würdest du mir einmal zuhören?« fragte er Markus, als zwei Klassenkameraden, denen er in Mathe geholfen hatte, gegangen waren.
    »Aber natürlich.«
    »Bin ich dir heute in der Schule und auch sonst abgegangen?«
    »Bist du beleidigt?«
    »Nicht im geringsten. Es ist etwas anderes.«
    »Und was ist es?«
    »Ihr nennt die Sache Heimweh. Ich muß fortwährend an meine Frau und an das Residence denken, an Bibione und die Adria. Ich weiß, das Haus ist winterdicht gemacht, kein einziger Gast sitzt auf der Terrasse und hat irgend etwas Eßbares für mich übrig. Aber wir haben uns noch jeden Winter durchgeschlagen. Ich möchte gern zurück. Bis vor kurzem konnte ich ab und zu beim Eiscafe Venezia vorbeisehen. Aber ab erstem November hat man auch da geschlossen, und die Familie ist nach Italien gereist, um erst am fünfzehnten März wieder zu öffnen.«
    »Ja, aber wie willst du nach Italien kommen?«
    »Das ist es ja, was mich bedrückt. Könntest du nicht einmal mit deinem Vater sprechen. Er braucht nicht ganz zwei Tage...«
    »Ich werde es versuchen«, versprach Markus. »Aber bestimmt wird nichts daraus.«
    »Versuch es.«
    Beim Abendessen gestand Markus der Familie, daß sein Vogel Heimweh habe.
    »Und warum erzählst du uns das erst jetzt?« fragte Vater. »Ich ahne das schon lange.«
    »Lucas hat mir viel geholfen, überhaupt und auch sonst.«
    »Hat er am Ende deine Schularbeiten geschrieben?«
    »Nein, er hat mir anders geholfen.«
    »Wie denn?« wollte Steffi wissen.
    »Lucas hat mir was zugetraut«, antwortete Markus. »Alles gut und schön, aber was ist jetzt mit ihm?«
    »Er hat Heimweh, er möchte zurück ins Residence, und allein schafft er das nicht.«
    »Du kannst doch nicht von uns verlangen, daß wir jetzt mitten im Winter...«Mutter suchte nach einer Ausrede. »Wir wissen nicht einmal, ob der Brenner schneefrei ist.«
    »Er ist frei, wir könnten noch hinüber.«
    »Nein, Markus, das ist zuviel verlangt.«
    »Verstehst du nicht, er hat mir geholfen, und ich möchte ihm helfen. Sogar die Finanzämter machen Weihnachtsfrieden.«
    »Warum eigentlich nicht?« sagte Vater.
    »Aber was machen wir jetzt im Winter an der Adria?«
    »Umkehren«, sagte Vater. »Oder denkst du, ich bade dort? Außerdem wollte ich schon immer einmal den Strand ohne Menschen sehen.«
    Und so fuhren sie am ersten Ferientag vor Weihnachten los, um Lucas Altamura nach Hause zu bringen. Es ging wesentlich schneller als im Sommer, das Wetter war kalt, und am Brenner froren die italienischen Zöllner. Bibione war eine tote Stadt, das Residence ausgestorben. Am Strand fanden sie einen einzigen Jogger, der mit seinem Hund um die Wette lief. Die Wolken hingen tief, ein kalter Wind aus Südost trieb unermüdlich hohe Wellen ans Ufer. Der Markusplatz in Venedig, hörten sie im Autoradio, stand unter Wasser. Vater ging mit auf die leere Terrasse und betrachtete die

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