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Spaziergang im Regen

Spaziergang im Regen

Titel: Spaziergang im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Barnard
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niedrigen Rückenlehnen um einen aus Holz geschnitzten Couchtisch herum, und Shara fielen die Hi-Fi-Lautsprecher auf, die im Raum verteilt waren; nichts war unternommen worden, um sie zu verkleiden, weil ihr Design zu dem lässig modernen Ambiente der Wohnung passte.
    Die den Fenstern gegenüberliegende Wand, zu Sharas Rechten, war fast vollständig mit einem maßgeschreinerten Regal bedeckt, das eine horizontale Aussparung in der Mitte hatte, in der ein langer, rechteckiger Spiegel hing, der den Raum noch größer erscheinen ließ. Direkt unter dem Spiegel stand eine elegante, fast unmöglich flache Stereoanlage und in den Regalen sah Shara zahlreiche Partituren, Fachbücher und CDs – die einzigen Hinweise auf Jessas Beruf, abgesehen von dem Flügel.
    Obwohl sie auf die Bücher und CDs neugierig war, fühlte Shara sich von den Fenstern angezogen. Sie hatte beim Aussteigen aus dem Taxi die hohe Backsteinmauer auf der gegenüberliegenden Straßenseite bemerkt und vermutet, dass dahinter lediglich das Grundstück eines weiteren langweiligen Bürogebäudes lag. Die Mauer war allerdings auf der Rückseite mit Efeu überwachsen und umschloss Gärten und vollständig erhaltene historische Gebäude, inklusive einer Kirche, zwischen denen sich jahrhundertealte gepflasterte Gehwege wanden. Shara zog hörbar die Luft ein und nahm ihre Sonnenbrille ab, um die unerwartete Aussicht besser würdigen zu können.
    Jessa hatte sie beobachtet. »Das ist das Charterhouse. Im Mittelalter war es ein Kartäuserkloster und wurde beim großen Brand von London fast vollständig zerstört. Es wurde aber originalgetreu wiederhergestellt. Die meisten Leute wissen gar nicht, dass es hier ist«, schob sie unnötigerweise nach.
    Shara drehte sich zu ihr; ein Glänzen lag in ihren Augen. »Ihr Zuhause ist bezaubernd«, sagte sie schlicht und ergreifend.
    Jessas Mund öffnete und schloss sich, ohne dass ein Laut ertönte. Sie war von Sharas Augen gefangengenommen. Sie hatte noch nie Augen wie diese gesehen. Sie schienen grau zu sein, aber mit einem Hauch Grün und einer goldenen Spur um die Pupillen herum. Nein, du bist bezaubernd , dachte Jessa. Sie wollte es gerade laut aussprechen, als ihr bewusst wurde, dass Shara diese Worte sicher tagtäglich hörte, wenn man bedachte, womit sie ihren Lebensunterhalt bestritt. Sie zwang sich dazu, Shara höflich für das Kompliment zu danken, aber als sie zu sprechen begann, drängten sich andere Worte nach vorn: »Ihre Augen . . . Sie sind wie ein Sonnenaufgang.« Sie konnte sich nicht erklären, woher diese Worte kamen, und kaum hatte sie sie ausgesprochen, errötete sie in einer Weise, wie es ihr seit der Pubertät nicht mehr passiert war.
    Shara konnte nichts erwidern. Jessas Worte hatten wie ein elektrischer Schlag gewirkt, der ihre Haut erwärmte und ihr Herz schneller schlagen ließ. Sie blickte hoch zu Jessa, nun ohne die Barriere ihrer Sonnenbrille und mit einem größeren Gefühl der Verletzlichkeit. Aber als sie die Bestürzung in Jessas Miene sah, wusste sie, dass sie etwas sagen musste. »Sie bringen es fertig, dass ich mich bedanken möchte.«
    Jessas Beschämung verwandelte sich in Ärger. »Na, denken Sie bloß nicht, dass Sie sich bei mir einschmeicheln müssen.«
    »Nein!« Nun war es an Shara, verlegen dreinzuschauen. »Ich meine, wenn jemand etwas Nettes darüber sagt, wie ich aussehe, dann fühle ich mich immer wie eine Hochstaplerin, wenn ich mich dafür bedanke. Schließlich ist mein Aussehen zu einem sehr großen Teil ein genetischer Zufall. Ich habe die Augen meines Vaters, ebenso wie seine dünnen Haare. Mein Lächeln ist wie das meiner Mutter, und ich bin klein geraten, so wie sie es war. Wenn diese Dinge auf jemand anderen attraktiv wirken, finde ich es nicht angebracht, Komplimente dafür anzunehmen . . . aber bei Ihnen möchte ich es verdient haben.« Während Sharas Worte verklangen, wuchs ihre anfängliche Verlegenheit zu Bestürzung, die Jessas in nichts nachstand.

Kapitel 4
    » J etzt wissen Sie wenigstens, wie einfach das für euch Hollywood-Typen ist«, neckte Jessa. Sie hatte in der vergangenen Stunde mehr gescherzt als in Monaten, einfach nur, weil sie dafür mit Sharas Lachen belohnt wurde.
    Shara hatte die Verlegenheit, die sich zu Anfang zwischen sie gestellt hatte, durch einen Vorschlag aus dem Weg geräumt. Mit leiser Stimme hatte sie gefragt: »Warum fangen wir nicht noch mal von vorn an? Ich bin Shara. Danke, dass Sie mir erlauben, Sie diesen Sommer zu

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