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Spaziergang im Regen

Spaziergang im Regen

Titel: Spaziergang im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Barnard
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begleiten. Ich werde versuchen, Ihnen nicht in die Quere zu kommen, aber ich möchte Ihnen wirklich gerecht werden, dem was Sie in Ihren frühen Zwanzigern erreicht haben und auch wie Sie Ihr Leben jetzt leben.«
    Jessa lächelte reumütig. »Ich bin Jessa. Ich werde nicht so tun, als wäre ich davon begeistert, dass Sie mir überallhin folgen wollen, aber ich möchte, dass Sie angemessen wiedergeben könne, wie mein Leben jetzt ist.«
    Sie erwähnte nicht die Wiedergabe der Ereignisse während der Jahre, um die es im Film gehen würde, und Shara sagte nichts weiter. Sie wusste instinktiv, dass dieser Aspekt ihrer Rolle der eigentliche Grund für Jessas mangelnde Begeisterung war. Sie wusste auch, dass sie sehr überzeugend sein konnte. Sie hatte die feste Absicht, Jessa umzustimmen, war aber einsichtig genug zu wissen, dass es ihren Bemühungen nicht helfen würde, dies anzukündigen. »Gut«, sagte sie stattdessen. Sie fand, es wäre natürlich und angebracht, diesen inoffiziellen Waffenstillstand per Handschlag zu besiegeln, zögerte aber, diejenige zu sein, die einen körperlichen Kontakt jedweder Art in die Wege leitete. Es war eine merkwürdige Vorsicht, die sie da verspürte, und sie musste sich darauf konzentrieren, nicht die Stirn zu runzeln.
    Shara mochte Körperkontakt, wahrscheinlich weil sie sich darum bemühte, über eine Kindheit hinwegzukommen, in der Zärtlichkeitsbekundungen wie Umarmungen, Küsse und beruhigende Berührungen Seltenheitswert besessen hatten. Ihr Vater war das, was man beschönigend altmodisch nannte, ganz nach dem Motto ›ein Schlag zur rechten Zeit hat noch nie geschadet‹. Er hatte sie zwar nicht körperlich gezüchtigt, war aber eindeutig der Meinung, dass Kinder nur sichtbar aber nicht hörbar sein sollen, nur dann sprechen dürfen, wenn ihnen das Wort erteilt wurde und dass sie sich außerdem eigenständig um ihr Lernpensum kümmern sollen, ohne dass Erwachsene ihnen dabei helfen müssen, wobei denselben Erwachsenen jedoch selbstverständlich zusteht, sich bei den Kindern wortreich über deren Leistungsabfälle auszulassen.
    Ihr Vater zeigte nie Gefühle, nur wenn es darum ging, Ratschläge zu geben, wie in seinen Augen ein Leben geführt werden sollte: Sparsamkeit, Enthaltsamkeit und Glaube machten in etwa sein Wertesystem aus. Als Pfarrer redete er über die Liebe, und Shara wusste, dass er sie für sie empfand, es war aber nie zwischen ihnen zur Sprache gekommen. Sie vermutete, dass all dies durch die Anwesenheit und Zuneigung ihrer Mutter gemildert worden wäre, aber sie war gestorben, als Shara sieben Jahre alt war, und ihr Vater hatte nicht noch einmal geheiratet.
    »Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten?« Jessa bemerkte Sharas Unruhe, die diese zu verbergen versuchte, und stellte fest, dass ihre Besucherin in einer etwas unangenehmen Situation steckte – wenn sie sich das auch selbst zuschreiben musste.
    »Ja, bitte.« Shara sah erleichtert aus, und Jessas Einstellung ihr gegenüber wurde etwas nachsichtiger.
    »Ich weiß, es ist noch Nachmittag, aber ich schlage etwas Alkoholisches vor. Dieses Kennenlernen neuer Leute kann ganz schön nervenaufreibend sein. Ich würde mich Ihnen anschließen, aber ich muss nachher noch fahren.«
    Als sie Sharas Lächeln sah, war Jessa froh, den Vorschlag gemacht zu haben.
    In den anschließenden eineinhalb Stunden trank Shara zwei Gläser Wein, während Jessa ihren kompletten Reiseplan durchging. Sie äußerten sich verwundert darüber, dass sie sich in New York noch nie über den Weg gelaufen waren, weil sie beide die gleichen Restaurants bevorzugten. Sie unterhielten sich über Toronto, wo sie beide mehrere Wochen verbracht hatten; Jessa, während sie abwägte, ob sie die angebotene Stelle beim TSO annehmen sollte, und Shara, während sie im ›Hollywood des Nordens‹ einen Fernsehfilm drehte. Sie freuten sich beide darauf, Toronto wiederzusehen, obwohl gerade die Auftritte dort Jessa offensichtlich ganz besonders Sorgen bereiteten.
    »Ich bin mir sicher, das Publikum wird Sie lieben«, versicherte Shara ihr; das Mitgefühl in ihren grünbraunen Augen wärmte Jessa. »Wo werden Sie wohnen, und haben Sie auch Freizeit?«
    Jessa grinste. »Gleich zum Wichtigsten, hm? Ich habe keine Ahnung. Sie haben eine möblierte Wohnung für mich angemietet.« Sie zuckte mit den Achseln. Solange der Flügel, der ihr zur Verfügung gestellt wurde, ordentlich gestimmt war, konnte sie sich mit fast allem anderen zurechtfinden.
    »Dann also nicht

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