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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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unter denen auch manche ziemlich unterrichtete Männer waren. Als ich herunterstieg, begegnete ich zwei Engländern von der Partie aus Nicolosi, die den nämlichen Spaziergang hierher gemacht hatten. Ihrer waren fünf, lauter Offiziere von der Garnison aus Malta, die von Neapel kamen und unterwegs den Berg mitsehen wollten, ein Major, ein Hauptmann und drei Lieutenants. Sie freuten sich, noch einen zur Partie zu bekommen, und ich holte flugs meinen Sack vom Mönche und zog herunter zu den Engländern ins Wirtshaus nach Nicolosi, wo schon vorher mein Führer einquartiert war. Der Mönch machte ein finsteres Gesicht, murrte etwas durch die Zähne, vermutlich einige Flüche über uns Ketzer alle; ich dankte und ging.
    Hier trieben wir nun, die fünf Briten und Dein Freund, unser Wesen sehr erbaulich. Die Engländer hatten den Wirt vom goldenen Löwen aus Catanien mitgebracht; ich trat zur Gesellschaft, man schaffte mir ein Bett so gut als möglich, und wir legten uns nieder und schliefen nicht viel. Die Herren erzählten ihre Abenteuer, militärische und galante, von der Themse und vom Nil, und bald traf die Kritik einen General, bald ein Mädchen. Vorzüglich war der Gegenstand ihrer Reminiszenzen eine gewisse originelle Trompetersfrau, die sie nach allen kernigen Prädikamenten zur Königin ihres Lagers in Ägypten erhoben. Gegen Mitternacht kamen die Führer, und nun setzte sich die ganze Karawane zu Maulesel: sechs
Signori forestieri
, zwei Führer mit Laternen und ein Proviantträger. Es war, wenn ich nicht irre, den sechsten April zu Mitternacht oder den siebenten des Morgens. Den vorigen Tag war es trübes Wetter gewesen, hatte den Abend ziemlich stark geregnet, hellte sich aber auf, sowie wir aus dem Wirtshause zogen. Wir gingen bei meinem Mönche in Sankt
Nicola del bosco ovver della rena
vorbei. Es war frisch und ward bald kalt und dann sehr kalt. Wir trottierten und lärmten uns warm. Dann deklamierte der Major Grays Kirchhof, dann sangen wir
»God save the King« nach Händel, und »Britannia, rule the waves
« und andere englischpatriotische Sachen. Jeder gab seinen Schnak.
»We are already pretty high
«, sagte der eine,
»It is a bitter nipping cold
«, der andere,
»Methinks, I hear the dogstar bark, and Mars meets Venus in the dark
« fuhr ein Dritter fort. »
Is that not smoke there?
« fragte ein subalterner Myops; »
I believe I see already old Nick smoking his pipe.« – »But my dear
«, sagte der Major, »
you are purblind upon your starbord eye; it is an oaktree
« So war es; das gab Gelächter, und wir gingen weiter. Bald kamen wir aus der bebauten Region in die waldige und gingen nun unter Eichen immer bergauf. Ungefähr um ein Uhr kamen wir in der Gegend der Geißhöhle an, die aber bis jetzt außer Gebrauch kommt. Der Fürst von Paterno hat dort ein Haus gebaut, wo die Fremden eintreten und sich bei einem Feuer wärmen können. Das Haus ist schlecht genug, und ein deutscher Dorfschulze würde sich schämen, es nicht besser gemacht zu haben. Indessen ist es doch besser als nichts und vermutlich bequemer als die Höhle. Hier blieben wir eine kleine halbe Stunde, bestiegen wieder unsere Maultiere und ritten nunmehr aus der waldigen Region in den Schnee hinein. Ungefähr eine Viertelstunde über dem Hause und der Höhle hörte die Vegetation ganz auf, und der Schnee fing an, hoch zu werden, der schon um das Haus her und hier und da neu und alt lag. Wir mußten nun absteigen und unsere Maultiere hier lassen. Der Schnee ward bald sehr hoch und das Steigen sehr beschwerlich. Unsere Führer rieten uns, nur langsam zu gehen, und sie hatten recht; aber die Herren ruhten zu oft absatzweise, und darin hatten diese nicht recht. »
Methinks I smell the morning air
«, sagte der Major und fuhr ganz drollig fort, als ein junger Lieutenant durch den hohlen Schnee auf ein Lavastück fiel und über den Fuß klagte:
»Alack, what dangers do environ the man that meddles with cold iron!
« Die Kälte des Morgens ward schneidend und die Engländer, die wohl in Ägypten und Malta eine solche Partie nicht gemacht hatten, schüttelten sich wie die Matrosen. Endlich erreichten wir den Steinhaufen des sogenannten Philosophenturms, und die Sonne tauchte eben glühend über die Berge von Kalabrien herauf und vergoldete, was wir von der Meerenge sehen konnten, die ganze See und den Taurus zu unsern Füßen. Ganz rein war die Luft nicht, aber ohne Wolken; desto magischer war die Szene. Hinter uns lag noch alles in Nacht,

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