Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
Vom Netzwerk:
und vor uns tanzten hier und da Nebelgestalten auf dem Ozean. Wer kann hier beschreiben? Nimm Deinen Benda und laß auf silbernem Flügel dem Mädchen auf Naxos die Sonne aufgehen, und wenn Du nicht etwas von unserm Vergnügen hast, so kann Dir kein Gott helfen. So ging uns Titan auf, aber wir standen über einem werdenen Gewitter; es konnte uns nicht erreichen. Einer der Herren lief wehklagend und hoch aufschreiend um die Trümmer herum, denn er hatte die Finger erfroren. Wir halfen mit Schnee und rieben und wuschen und arbeiteten uns endlich zu dem Gipfel des Berges hinauf. Mir deucht, man müßte bis zum Philosophenturm reiten können; bis dahin ist es nicht zu sehr jäh, aber die Kälte verbietet es; wenigstens möchte ich eben deswegen ohne große Verwahrung nicht von der Kavalkade sein. Von hier aus kann man nicht mehr gehen, man muß steigen und zuweilen klettern und zuweilen klimmen. Es scheint nur noch eine Viertelstunde bis zur höchsten Spitze zu sein, aber es ist wohl noch ein Stückchen Arbeit. Die Briten letzten sich mit Rum, und da ich von diesem Nektar nichts genießen kann, aß ich von Zeit zu Zeit eine Apfelsine aus der Tasche. Sie waren ziemlich gefroren; aber ich habe nie so etwas Köstliches genossen. Als ich keine Apfelsinen mehr hatte – denn der Appetit war stark – stillte ich den Durst mit Schnee, arbeitete immer vorwärts und war zur Ehre der deutschen Nation der erste an dem obersten Felsenrande der großen, ungeheuern Schlucht, in welcher der Krater liegt. Einer der Führer kam nach mir, dann der Major, dann der zweite Führer, dann die ganze kleine Karawane bis auf den Herren mit den erfrorenen Fingern. Hier standen und saßen und lagerten wir, halb in dem Qualm des aufsteigenden Rauchdampfes eingehüllt, und keiner sprach ein Wort, und jeder staunte in den furchtbaren Schlund hinab, aus welchem es in dunklen und weißlichen Wolken dumpf und wütend herauftobte. – Endlich sagte der Major, indem er sich mit einem tiefen Atemzuge Luft machte: »
Now it is indeed worth a young man's while to mount and see it; for such a sight is not to be met with in the parks of old England.
« Mehr kannst Du von einem echten Briten nicht erwarten, dessen patriotische Seele ihren Gefährten mit Rostbeef und Porter ambrosisch bewirtet. Die Schlucht, ungefähr eine kleine Stunde im Umfange, lag vor uns, wir standen alle auf einer ziemlich schmalen Felsenwand und bückten uns über eine steile Kluft von vielleicht sechzig bis siebzig Klaftern hinaus und in dieselbe hinein. Einige legten sich nieder, um sich auf der grausen Höhe von Schwindel zu sichern. In dieser Schlucht lag tief der Krater, der seine Stürme aus dem Abgrunde nach der entgegengesetzten Seite hinüberwarf. Der Wind kam von der Morgensonne, und wir standen noch ziemlich sicher vor dem Dampfe, nur daß hie und da etwas durch die Felsenspalten heraufdrang. Rund herum ist keine Möglichkeit, vor den ungeheuern senkrechten Lavablöcken bis hinunter ganz nahe an den Rand des eigentlichen Schlundes zu kommen. Bloß von der Seite von Taormina, wo eine sehr große Vertiefung ausgeht, muß man hineinsteigen können, wenn man Zeit und Mut genug hat, die Gefahr zu bestehen, denn eine kleine Veränderung des Windes kann tödlich werden, und man erstickt wie Plinius. Übrigens würde man wohl unten am Rande weiter nichts sehen können. Hätte ich drei Tage Zeit und einen entschlossenen, der Gegend ganz kundigen Führer, so wollte ich mir wohl die Ehre erwerben, unten gewesen zu sein, wenn es der Wind erlaubte. Man müßte aber mit viel größerer Schwierigkeit von Taormina hinaufsteigen.
    Nachdem wir uns von unserm ersten Hinstaunen etwas erholt hatten, sahen wir nun auch rund umher. Die Sonne stand nicht mehr so tief, und es war auch auf der übrigen Insel schon ziemlich hell. Wir sahen das ganze große, schöne, herrliche Eiland unter uns vor uns liegen, wenigstens den schönsten Teil desselben. Alles, was um den Berg herumliegt, das ganze Tal Enna bis nach Palagonia und Lentini, mit allen Städten und Flecken und Flüssen, war wie in magischem Duft gewebt. Vorzüglich reizend zog sich der Simäthus aus den Bergen durch die schöne Fläche lang hinab in das Meer, und man übersah mit einem Blick seinen ganzen Lauf. Tiefer hin lag der See Lentini und glänzte wie ein Zauberspiegel durch die elektrische Luft. Die Folge wird zeigen, daß die Luft nicht sehr rein, aber vielleicht nur desto schöner für unsern Morgen war. Man sah hinunter bis nach

Weitere Kostenlose Bücher