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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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mehr. Dieses Kloster gehört bekanntlich den reichen Benediktinern unten in der Stadt, die hier nur einen Laienbruder haben, welcher die Ökonomie besorgt, denn sie haben rund umher weite Distrikte von Weinbergen. Bei den Mönchen gilt selten das Sprichwort »Im Weine ist Wahrheit«, sondern »Im Weine ist Schlauheit«. Ich kann mir nicht helfen, und wenn mich die Mönche zum Amt machten, ich würde sagen: je größer das Kloster, desto größer die Sottise. Die Mönche unten sind gar feine Kauze, die das Inkonsequente und Bedenkliche und Kritische ihrer jetzigen Lage sehr gut fühlen und die Kutte durchzuschauen wissen; diese waren freundlich und höflich. Der Laienbruder hier im Sande war etwas grämelnd und murrsinnig. Er nahm meinen Empfehlungsbrief, betrachtete ihn und sagte mir ganz trocken: »Der Abt, mein Vorgesetzter, hat ihn nicht unterschrieben; er geht mich also nichts an.« »Das ist schlimm für mich«, sagte ich: »Jawohl!« sagte er. »Was soll ich nun tun?« fragte ich. »Was Sie wollen;« antwortete er. Er besann sich indessen doch etwas; man trug eben das Essen auf. Er fragte mich, ob ich mitessen wollte, und ich machte natürlich gar keine Umstände, weil ich ziemlich hungrig war. Wir setzten uns also, und über Tische ward mein Wirt etwas freundlicher. Mein Maulesel mit dem Führer wurde nach dem nächsten Orte Nicolosi geschickt und mir Quartier und Pflege gesichert. Man meldete, daß eine fremde sehr vornehme Gesellschaft ankommen würde, die auch auf den Berg steigen wollte; das war mir lieb. Wir aßen dreierlei Fische. Denke Dir, ein Laienbruder der Benediktiner in der höchsten Wohnung am Ätna zur Fasten dreierlei Fische! Denn über diesem Kloster sind nur noch einige Häuser links hinüber, und weiter nichts in der Waldregion bis hinauf an die alte Geißhöhle. Ich spreche von dieser Seite; die andern Pfade kenne ich nicht. Es kam ein anderer Herr, der uns trinken half. Dieser schien ein etwas besseres Stück von Geistlichen zu sein. Mein Wirt zog den Brief aus der Tasche und ließ ihn von dem andern vorlesen; da ergab sich mir denn erst, daß der Herr Laienbruder wohl gar nicht lesen konnte. Der Brief lautete ungefähr, daß der Pater Sekretär ihn im Namen und auf Befehl des Abtes schreibe, den deutschen reisenden Herrn, der von dem Minister sehr empfohlen wäre, nach Würden bestens zu bewirten. Von meiner Entfernung war nun gar nicht mehr die Rede. Der Bruder war gesprächiger und erzählte mir seine Reisen und seine Schicksale, und daß ihn der Papst kenne. Bald kam er auf meine Ketzerei und segnete sich. Er ließ sich mein Seelenheil und meine Bekehrung noch etwas angelegener sein als der palermitanische Steuer- revisor in Agrigent, fand mich aber ganz refraktarisch; er mußte mich also mit seinem besten Futter in die Hölle gehen lassen. Der vornehmste Grund, den er brauchte, mich zum Christen zu machen, war, ich hätte doch einen sehr gefährlichen Weg vor mir, es seien auf dem Berge schon viele umgekommen; nun könnte ich, wenn ich auch tot gefunden würde, nicht einmal christlich begraben werden. Das war nun freilich ein triftiges Argument, denn bei diesen Herren ist kein Akatholikus ein Christ. Ich sagte ihm so sanft als möglich die Anekdote des Diogenes, der sich im ähnlichen Falle ausbat, man möchte ihm nach dem Tode nur einen Stock hinlegen, damit er die Hunde wegjagen könnte. Der Mann schüttelte den Kopf und – trank sein Glas. Nun wurde mir ein Führer bestellt, der teuer genug war, und auf alle Fälle alles in Ordnung gesetzt, wenn auch die Gesellschaft nicht kommen sollte. Eben als die Einrichtung getroffen war, wurde gemeldet, daß die Engländer nicht kommen würden, sondern in Nicolosi blieben. Darüber war der Mann Gottes sehr ergrimmt und betete etwas unsanft wie Elisa, der Bärenprophet, über einige seiner Feinde unten in Catanien und oben in Nicolosi. Ich machte einen Ausflug gegenüber auf die
Monti rossi
, die sich bei der letzten großen Eruption gebildet haben, vermutlich von der Farbe den Namen tragen und von ihren Gipfeln eine herrliche Aussicht geben. Man hatte eine starke Viertelstunde nötig, sie zu ersteigen, und von ihnen sieht man noch jetzt den ganzen ungeheuren Lavastrom, der hier ausbrach, alles umwälzte und zernichtete, einen großen Teil der Stadt zerstörte und tief hinter derselben sich als eine hohe Felsenwand in der See stemmte. Ich weiß wohl, daß Stollberg anderer Meinung ist; aber ich habe es hier so von vielen Einwohnern gehört,

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