Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
Mörder verwundet entlaufen. Die Wache, welche nicht weit davon stand, tat, als ob sie gar nichts zu tun hätte. »Sie haben einen erschlagen« klingt in Sizilien und Unteritalien nicht härter als bei uns, wenn man sagt »es ist einer berauscht in den Graben gefallen.« Nur gegen die Fremden scheinen sie aus einer alten religiösen Sitte noch einige Ehrfurcht zu haben. Sie erstechen sich untereinander bei der geringsten Veranlassung, hörte ich einen kundigen wahrhaften Mann urteilen; aber ein Fremder ist heilig. Ich möchte mich freilich nicht zu sehr auf meine fremde Heiligkeit verlassen, aber die Sache ist nicht ohne Grund. Ich blieb, zum Beispiel, zwischen Messina und Palermo in einem einzelnen Hause, dessen zwei handfeste Besitzer ich gleich beim ersten Anblick klassifiziert hatte. Alles bestätigte meinen Argwohn und meine Besorgnis. Man speiste mich indessen leidlich und machte mir sodann ein Lager auf einer Art von Pritsche, so daß alle Schießgewehre und Dolche in einem Winkel zu meinem Kopfe lagen. Man machte mich auch darauf aufmerksam, daß ich allein bewaffnet wäre, und ich schlief nun ziemlich ruhig.
Nach Sankt Martin bin ich nicht gekommen, weil das Wetter beständig sehr unfreundlich war und ich mich die letzten Tage nicht entfernen durfte, da man mit dem ersten guten Winde abfahren wollte. Die Mönche dort oben sollen die prächtigste Mast in der ganzen Christenheit haben. Wenn das Christentum schuld an allem Unheil wäre, das man bei seinen Priestern und durch seine Priester sieht, so wäre der Stifter der hassenswürdigste der Menschen. Das astronomische Observatorium auf dem Schlosse konnte ich nicht füglich sehen, weil Piazzi nicht zugegen war. Übrigens bin ich auch ein Laie am Himmel. Vielleicht hat es eine wohltätige Wirkung auf die Insel, daß die Sizilianer nun ihre Göttin unter den Sternen finden; bisher haben sie das Heiligtum der Ceres und ihre Geschenke gewissenlos verachtet. Eine vaterländische Neuigkeit ist mir noch aufgestoßen. Der Kaiser Karl der Fünfte hat um Sizilien große Verdienste, und sein Andenken ist billig den Insulanern ehrwürdig. Überall findet man noch Arbeiten von ihm, die seinen tätigen Geist bezeichnen, und die jetzt vernachlässigt und vergessen werden. Die Wachtürme rundumher, die er nach seiner afrikanischen Unternehmung aufführen ließ, zeigen von seinem Mut und der damaligen Kraft der Insel. Auch der Molo des Hafens von Agrigent ist von ihm. Seine Bildsäule steht also in Palermo fast mitten in der Stadt am Toledo auf einem freien Platze; aber mit einem Bombast, der nicht in der Natur des Mannes lag. Er hat in der Inschrift eine lange Reihe Beinamen und heißt unter andern, vermutlich wegen der Schlacht, auch der Sachse und Hesse. Könnte man nun unsern Kurfürsten Moritz, dessen Enkomiast ich übrigens nicht ganz unbedingt werden möchte, nicht wegen der Ehrenberger Klause den Östreicher und Spanier nennen? Sein Sieg war bedeutend genug und die Folge des Tages für die Protestanten auf immer wichtig.
Bei Capri
Der Wind schaukelt uns ohne Fortkommen hin und her, und schon fast den ganzen Tag tanzen wir hier vor Massa, Kapri und Ischia herum. Den einundzwanzigsten April abends gab das Kriegsschiff, welches jetzt, glaube ich, die ganze Flotte des Königs von Neapel ausmacht, das Signal, und wir arbeiteten uns aus dem Hafen heraus. Den andern Morgen hatten wir Sizilien und sogar Palermo noch ziemlich nahe im Gesichte; der Rosalienberg und die Spitzen von Termini und Cefalu lagen ganz deutlich vor uns, das andere war von dem trüben Wetter gedeckt. Mehrere Schiffe mit Orangen und Öl hatten sich angeschlossen, um die sichere Fahrt mit dem Kriegsschiffe und dem Paketboot zu machen. Das letztere hat auch zwanzig Kanonen und ist zum Schlagen eingerichtet. Wir saßen lange zwischen Ustika und den liparischen Insel, und ich las, weiß der Himmel wie ich eben hier auf diesen Artikel fiel, während der Windstille Georgika Virgils, die ich hier besser genoß als jemals. Nur wollte mir die Schlußfabel von dem Bienenvater nicht sonderlich gefallen: sie ist schön, aber hier gezwungen. Dann las ich, da der Wind noch nicht kommen wollte, ob wir gleich in seinem mythologischen Vaterlande waren, ein großes Stück in die Aeneis hinein. Hier wollte mir nun, unter vielen Schönheiten im vierten Buche, die Beschreibung des Atlas wieder nicht behagen, so herrlich sie auch klingt. Es ist, dünkt mich, etwas Unordnung darin, die man dem Herrn Maro nicht zutrauen
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