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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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den höchsten Gipfel des Felsenbergs hinauf. Wo das Kloster steht, ist ein Absatz von etwas fruchtbarem Erdreich, das noch sehr gutes Getreide hält. Ich ging hinaus bis an die äußerste Spitze, wo eine Kapelle der heiligen Rosalia steht mit ihrem Bilde, das füglich etwas besser sein sollte. Die Fremden aller Länder hatten sich hier verewigt und mir wenig Platz gelassen. Alles war voll, und Stirne und Wange und Busen des heiligen Rosalienmädchens waren beschrieben; es blieb mir also nichts übrig, als ihr meinen Namen auf die Nasenspitze zu setzen. Vielleicht dachte jeder durch Aufsetzung seines Namens, das Gemälde zu verbessern; die Nasenspitze ist wenigstens durch den meinigen nicht verdorben worden; und dieses ist das einzige Mal, daß ich auf der ganzen Wandlung meinen Namen geschrieben habe, wenn mich nicht die Polizei dazu nötigte.
    Zwischen diesem isolierten Felsen und der höheren Bergkette liegt ein herrliches kleines Tal, das sich von der Stadt immer enger bis an die See vorzieht. Es ist von der Natur reichlich gesegnet, und der Fleiß könnte noch mehr gewinnen. Hier muß nach der Topographie das Städtchen Hykkara gelegen haben, aus welchem Nicias die schöne Lais holte und nach Griechenland brachte. Weiter hinaus suchte ich mit meinen Hofmannischen Augen den Eryx bei den Trapani und knüpfte in vielen schnellen Übergängen Wieland, Aristipp und die eryzinische Göttin zusammen. Weiß der Himmel, wie ich in diesem Thema auf den Hudibras kam; die Ideenverbindung mag wohl etwas schnell und gesetzlos gewesen sein, und ich halte es nicht für wichtig genug, sie wieder aufzusuchen. Ich guckte also hin nach Trapani und sang oder murmelte vielmehr nach einer beliebten Melodie aus Mozarts Zauberflöte die schönen harmonischen Verse von Butler, die ich immer für ein Meisterstück der Knittelrhythmik gehalten habe. Sie paßten vortrefflich zur Melodie des Vogelfängers. Also ich brummte:

    So learned Taliacotius from
    The brawny part of porters bum
    Cut supplemental noses, which
    Would last as long as parent breech,
    And as the date of Knock was out,
    Off dropt the sympathetic snout.

    Ich hatte in meinem musikalischen Enthusiasmus nicht auf den Weg Achtung gegeben, und kaum hatte ich die letzte Zeile gesungen und wollte die erste wieder anfangen, so fiel ich auf die Nase, welches mir selbst auf den Ätna nicht begegnet war, wo doch die Landsleute Butlers in ihren Strümpfen alle sehr oft zu Falle kamen. Hatte vielleicht die Göttin von Amathunt und vom Eryx die Profanation rächen wollen? Die Nase blutete mir. Besser die Nase als das Herz, dachte ich. Auch dieses war mir wohl ehedem etwas enge gewesen, jetzt war ihm längst wieder leicht. Ich hatte aus Gewohnheit noch ein kleines, niedliches Madonnenbildchen an einer seidenen Schnur am Halse hangen, das mir oft das Prädikat der Katholizität erworben hatte. Das Original hatte mich königlich betrogen. Jetzt nahm ich es unwillkürlich von der linken Seite, nach welcher sich das Idolchen immer neigte, schloß unwillkürlich das Glas auf, nahm das elfenbeinerne Täfelchen heraus und erschrak, als ich es heftig unwillkürlich in zehn Stücke zersplittert zwischen dem Daumen hielt. War das lauter Rache Rosaliens und der vom Eryx? Mögen sie sich an niemand bitterer rächen! Ich hielt die Trümmerchen in der Hand; Freund Schnorr mag verzeihen, er hatte mit Liebe an dem Bildchen gepinselt. Einige Minuten hielt mich Phantasus noch mit Wehmut am Original; ich saß auf einem Felsenstücke des Erkta und sah es im Geist an der Spree im goldenen Wagen rollen. Rolle zu! Und so flogen die Stücke mit der goldenen Einfassung den Abrund hinunter. Ehemals wäre ich dem Bildchen nachgesprungen –; noch jetzt dem Original. Aber ich stieg nun ruhiger den Schneckengang nach der Königsstadt hinab; die rötlichen Wölkchen vom Ätna her flockten lieblich mir vor den Augen. Ich vergaß das Gemälde, möge es dem Original wohlgehen!
    Ich hatte mich bis tief in die Nacht verspätet und wurde zu Hause gräßlich bewillkommt. Aber da muß ich Dir noch mehreres erzählen, ehe Du dieses gehörig verstehst. Du erinnerst Dich des guten Steuerrevisors, der sich in Agrigent meiner so freundschaftlich annahm, daß er mir fast die Menschheit streitig machte. Kaum hatte ich in meinem Wirtshause die erste Nacht ausgeschlafen, als mein Steuerrevisor zu mir hereintrat. Das tat mir nun recht wohl, denn wer freut sich nicht, daß sich jemand um ihn bekümmert? Er erzählte mir, er sei

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