Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
nichts ähnliches in dieser Art mehr gefunden.
In der Galerie Doria zog meine Aufmerksamkeit vornämlich ein weibliches Gemälde von Leonardo da Vinci auf sich, das man für die Königin Johanna von Neapel ausgab. Das kann Johanna nicht sein, sagte ich, unmöglich; ich wäre für das Original von Leukade gesprungen, das kann die Neapolitanerin nicht sein. Wenn sie es ist, hat die Geschichte gelogen, oder die Natur selbst ist eine Falschspielerin. Man behauptete, es wär ihr Bild, und ich genoß in der Träumerei über den Kopf den schönen Salvator Rosi im andern Flügel nur halb. Als ich nach Hause kam, fragte ich Fernow, und dieser sagte mir, ich habe recht; es sei nun ausgemacht, daß es eine gewisse Gräfin aus Oberitalien sei. Ich freute mich, als ob ich eine Kriminalinquisition los wäre.
Auf dem Kapitol vermißte ich den schönen Brutus. Dieser ist nach Paris gewandelt, hieß es. Was soll Brutus in Paris? Vor fünfzig Jahren wäre es eine Posse gewesen, und jetzt ist es eine Blasphemie. Dort wachsen die Cäsaren wie die Fliegenschwämme. Noch sah ich die alte hetrurische Wölfin, die bei Cäsars Tode vom Blitz beschädigt worden sein soll. Die Seltenheit ist wenigstens sehenswert. Von dem Turm des Kapitols übersah ich mit einem Blick das ganze, große Ruinenfeld unter mir. Einer meiner Freunde machte mir ein Geschenk mit einer Rhapsodie über die Peterskirche; ich gab ihm dafür eine über das Kapitol zurück. Ich schicke sie Dir hier, weil ich glauben darf, daß Dir vielleicht die Aussicht einiges Vergnügen machen kann.
Du zürnst, daß dort mit breitem Angesichte
Das Dunstphantom des Aberglaubens glotzt
Und jedem Feuereifer trotzt,
Der aus der Finsternis zum Lichte
Uns führen will; Du zürnst den Bübereien,
Dem Frevel und dem frechen Spott,
Mit dem der Plattkopf stiert, der Tugend uns und Gott
Zum Unsinn macht; den feilen Schurkereien,
Und der Harpye der Mönchereien,
Dem häßlichsten Gespenst, das aus dem Cocyt entkroch,
Das aus dem Schlamm der Dummheit noch
Am Leitseil der Betrügereien
Zehntausend hier, zehntausend dort ins Joch,
Dem willig sich die Opfertiere weihen,
Zum Grabe der Vernunft berückt,
Und dann mit Hohn und Litaneien
Aus seiner Mastung niederblickt;
Du zürnst, daß man noch jetzt die Götzen meißelt
Und mit dem Geist der Mitternacht
Zu ihrem Dienst die Menschheit niedergeißelt
Und die Moral zur feilen Dirne macht,
Bei der man sich zum Sybariten kräuselt
Und Recht und Menschenwert verlacht.
Dein Eifer, Freund, ist edel. Zürne!
Oft gibt der Zorn der Seele hohen Schwung
Und Kraft und Mut zur Besserung;
Indessen lau mit seichtem Hirne
Der Schachmaschinenmensch nach den Figuren schielt
Und von dem Busen seiner Dirne
Verächtlich nur die Puppen weiterspielt.
Geh hin und lies, fast ist es unsre Schande,
Es scheint, es war das Schicksal Roms,
In Geierflug zu ziehn von Land zu Lande;
Es schlug die Erde rund in Bande
Und wechselt nur den Sitz des Doms.
Was einst der Halbbarbar ins Joch mit Eisen sandte,
Beherrschet nun der Hierofante
Mit dem Betruge des Diploms.
Jetzt türmet sich am alten Vatikane
Des Aberglaubens Burg empor,
In deren dumpfigen Arkane
Sich längst schon die Vernunft verlor,
Und wo man mit geweihtem Ohr
Und Nebelhirn zur neuen Fahne
Des alten Unsinns gläubig schwor.
Dort steht der Dom, den Blick voll hohen Spottes,
Mit dem er Menschensinn verhöhnt;
Und mächtig stand, am Hügel hingedehnt,
Einst hier die Burg des Donnergottes,
Wo noch des Tempels Trümmer gähnt;
Und wer bestimmt, aus welchem Schlunde
Des Wahnsinns stygischer Betrug
Der armen Welt die größte Wunde
Zur ewigen Erinnrung schlug?
Hier herrschten eisern die Katonen
Mit einem Ungeheur von Recht,
Und stempelten das menschliche Geschlecht
Despotisch nur zu ihren Frohnen;
Als wäre von Natur vor ihnen jeder Knecht,
Den Zeus von seinem Kapitole
Mit dem Gefolge der Idole
Sich nicht zum Lieblingssohn erkor;
Und desto mehr, je mehr er kühn empor
Mit seines Wesens Urkraft strebte
Und sklavisch nicht, wie vor dem Sturm das Rohr
Beim Zorn der Herr'n der Erde bebte.
Nur wer von einem Räuber stammte,
Dem Fluch der Nachbarn, wessen Heldenherz,
Bepanzert mit dem dicksten Erz,
Zum Hohn der Menschheit lodernd flammte,
Wer alle andern wie Verdammte
Zur tiefsten Knechtschaft von sich stieß
Und den Beweis in seinem Schwerte wies –
Nur der gelangte zu der Ehre,
Ein Mann zu sein im großen Würgerheere.
Oft treibt Verzweiflung zu dem
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