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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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ihnen: »Ei so nehmt denn ins Teufels Namen alles, was ich habe!« Da machte einer eine doppelt gräßliche Pantomime mit Gesicht und Dolch, um mir zu verstehen zu geben, man würde stoßen und schießen, sobald ich noch eine Silbe spräche. Ich schwieg also. In Eile nahmen sie mir nun die Börse und etwas kleines Geld aus den Westentaschen, welches beides zusammen sich vielleicht auf sieben Piaster belief. Nun zogen sie mich mit der vehementesten Gewalt nach dem Gebüsche, und die Karabiner suchten mir durch richtige Schwenkung Willigkeit einzuflößen. Ich machte mich bloß so schwer als möglich, da weiter tätigen Widerstand zu tun der gewisse Tod gewesen wäre; man zerriß mir in der Anstrengung Weste und Hemd. Vermutlich wollte man mich dort im Busche gemächlich durchsuchen und ausziehen und dann mit mir tun, was man für gut finden würde. Sind die Herren sicher, so lassen sie das Opfer laufen; sind sie das nicht, so geben sie einen Schuß oder Stich, und die Toten sprechen nicht. In diesem kritischen Momente – denn das Ganze dauerte vielleicht kaum eine Minute – hörte man den Wagen von ober herabrollen und auch Stimmen von unten; sie ließen mich also los, und nahmen die Flucht in den Wald. Ich ging etwas verblüfft meinen Weg fort, ohne jemand zu erwarten. Die Uhr saß, wie in Sizilien, tief, und das Taschenbuch stark unter dem Arme in einem Rocksacke; beides wurde also in der Geschwindigkeit nicht gefunden. Die Kerle sahen gräßlich aus wie ihr Handwerk; keiner war, nach meiner Taxe, unter zwanzig und keiner über dreißig. Sie hatten sich gemalt und trugen falsche Bärte; ein Beweis, daß sie aus der Gegend waren und Entdeckung fürchteten. Reinhart traf ich in Aricia nicht; er war noch in Rom. So hätte ich wohl noch leicht in der schönen klassischen Gegend bleiben können. Dort spielt ein Teil der Aeneide, und nach aller Topographie bezahlten daselbst Nisus und Euryalus ihre jugendliche Unbesonnenheit; nicht eben, daß sie gingen, sondern daß sie unterwegs so alberne Streiche machten, die kein preußischer Rekrut machen würde. Wer wird einen schön polierten, glänzenden Helm bei Mondschein aufsetzen, um versteckt zu bleiben? Herr Virgil hat sie, vermutlich bloß der schönen Episode wegen, so ganz unüberlegt handeln lassen.
    Hier in Rom brachte man mir die tröstliche Nachricht, daß zwei von den Schurken, die mich in dem Walde geplündert hätten, erwischt wären, und daß ich vielleicht noch das Vergnügen haben würde, sie hängen zu sehen. Dawider habe ich weiter nichts, als daß es bei der jetzigen Unordnung der Dinge sehr wenig helfen wird. Ich habe hier etwas von einem Manuskripte gesehen, das in kurzem in Deutschland, wenn ich nicht irre, bei Perthes gedruckt werden soll, und das ein Gemälde vom jetzigen Rom enthält. Du wirst Dich wundern, wenn ich Dir sage, daß fast alles darin noch sehr sanft gezeichnet ist. Der Mann kann auf alle Fälle kompetenter Beurteiler sein, denn er ist lange hier, ist ein freier, unbefangener, kenntnisvoller Mann, bei dem Herz und Kopf gehörig im Gleichgewicht stehen. Die Hierarchie wird wieder in ihrer größten Ausdehnung eingeführt; und was das Volk eben jetzt darunter leiden müsse, kannst Du berechnen. Die Klöster nehmen alle ihre Güter mit Strenge wieder in Besitz, die Kirchen werden wieder geheiligt und alle Prälaten behaupten fürs allererste wieder ihren alten Glanz. Da mästen sich wieder die Mönche, und wer kümmert sich darum, daß das Volk hungert? Die Straßen sind nicht allein mit Bettlern bedeckt, sondern diese Bettler sterben wirklich daselbst vor Hunger und Elend. Ich weiß, daß bei meinem Hiersein an einem Tage fünf bis sechs Personen vor Hunger gestorben sind. Ich selbst habe einige niederfallen und sterben sehen. Rührt dieses das geistliche Mastheer? Der Ausdruck ist empörend, aber nicht mehr als die Wahrheit. Jedes Wort ist an seiner Stelle gut, denke und sage ich mit dem Alten. Als die Leiche Pius des Sechsten prächtig eingebracht wurde, damit die Exequien noch prächtiger gehalten werden könnten, erhob sich aus dem gläubigen Gedränge ein Fünkchen Vernunft in dem dumpfen Gemurmel, daß man so viel Lärm und Kosten mit einem Toten mache und die Lebendigen im Elende verhungern lasse. Rom ist die Kloake der Menschheit gewesen, aber vielleicht nie mehr als jetzt. Es ist keine Ordnung, keine Justiz, keine Polizei, auf dem Lande noch weniger als in der Stadt; und wenn die Menschheit noch nicht tiefer gesunken ist, als sie

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