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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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Concordia. Das Wetter war frisch und sehr windig. Ich stieg durch die Celle hinauf, wo mir mein weiser Führer folgte, und lief dann oben auf dem steinernen Gebälke durch den Wind mit einer nordischen Festigkeit hin und her, daß der Agrigentiner, der doch ein Mauleseltreiber war, vor Angst blaß ward, an der Celle blieb und sich niedersetzte. Ich tat das nämliche mitten auf dem Gesims, bot den Winden Trotz, nahm Brot und Braten und Orangen aus der Tasche und hielt ein Frühstück, das gewiß Scipio auf den Trümmern von Karthago nicht besser gehabt hat. Ich konnte mich doch einer schauerlichen Empfindung nicht erwehren, als ich über die Stelle des alten, großen, reichen Emporiums hinsah, wo einst nur ein einziger Bürger unvorbereitet vierhundert Gäste bewirtete und jedem die üppigste Bequemlichkeit gab. Dort schlängelte sich der kleine Akragas, welcher der Stadt den Namen gab, hinunter in die See; und dort oben am Berge, wo jetzt kaum noch eine Trümmer steht, schlugen die Karthager, und das Schicksal der Stadt wurde nur durch den Mut der Bürger und die Deisidämonie des feindlichen Feldherrn aufgehalten. Wo jetzt die Stadt steht, war vermutlich ehemals ein Teil der Akropolis. Nun ging ich noch etwas weiter hinauf zu dem Tempel der Juno Lucina und den übrigen Resten, unter denen man mehrere Tage sehr epanorthotisch hin und her wandeln könnte. Die systematischen Reisenden mögen Dir das übrige sagen, ich habe keine Entdeckungen gemacht. Der jetzige König hat einige Stücke wieder hinauf auf den alten Konkordientempel schaffen lassen und dafür die schöne alte Front mit der pompösen Inschrift entstellt:
»Ferdinandus IV. Rex restauravit.
« Ich hätte den Giebel herunterwerfen mögen, wo die kleinliche Eitelkeit stand.
    Die beiden ziemlich gut erhaltenen Tempel stehen nicht weit von den alten Mauern, in deren solidem Felsen eine Menge Aushöhlungen sind, aus denen man nicht recht weiß, was man machen soll. Einige halten sie für Gräber. Mir kommt es wahrscheinlicher vor, daß es Schlafstellen für die Wache waren, eine Art von Kasernen; und sie sind vermutlich nur aus der neuern Zeit der Sarazenen oder Goten. Diese Mauern, so niedrig sie auch gegen die hohen Berge umher liegen, sind doch als Felsen beträchtlich genug, daß man von der See aus die Stadt das hohe Akragos nennen konnte; und noch jetzt würden unsere Vierundzwanzigpfünder genug zu arbeiten haben, eine Bresche hineinzuschlagen. Es ist wohl nicht ohne Grund geschehen, daß man die schönsten Tempel der Mauer so nahe baute. Sie waren das Heiligtum der Stadt; ihre Nähe beim Angriff mußte anfeuern, wo die Bürger augenscheinlich
pro aris et focis
schlugen. Auch der Tempel des Herkules muß unten nicht weit von der Mauer gestanden haben. Dort sind aber die Mauern nicht so hoch und stark gewesen, weil die Natur dort nicht so unterstützte; eben deswegen setzte man dorthin den Tempel des Herkules, um die Bürger an der schwachen Seite mehr an Kampf und Gefahr zu erinnern; eben deswegen liegen wahrscheinlich dort Tempel und Mauer in Trümmern, weil vermutlich daselbst die Stadt mehreremal eingenommen wurde. Was ich aus dem sogenannten Grabmal Hierons machen soll, weiß ich nicht; ich überlasse es mit dem übrigen ruhig den Gelehrten. Ich habe nicht Zeit, gelehrt zu werden. Am kürzesten dürfte ich nur meinem Maultiertreiber folgen; der sagt mir gläubig fest bestimmt:
»Kischt' è il tempio di San Gregoli; Kischta Madonna è antica«;
und wer es nicht glauben will,
anathema sit
. Der gute Mensch hat mich recht herzlich in Affektionen genommen und meint es recht gut; vorzüglich zeigt er mir gewissenhaft alle Klöster und sagt mir, wie reich sie sind. Nun interessieren mich die Klöster und ihre Bewohner nur kat antiprasin thsk kalokagatias; ich sagte also diesen Morgen zu einem solchen Rapport ganz unwillig murmelnd in meinem Mutteridiom: »Ich wollte, es wären Schweineställe!« Weiß der Himmel, was der fromme Kerl verstanden haben mochte:
»Si, si, Signore, dice bene
«, sagte er treuherzig;
»kischt' é la cosa.
« Er rechnete es mir hoch an, daß er Italienisch sprach und nicht den Jargon seiner Landsleute, mit denen ich gar nicht fortkommen würde, doch kam ich mit seinen Landsleuten in ihrem Jargon noch so ziemlich ohne ihn fort. Auf der heutigen Promenade erzählte er mir von einer kleinen Stadt, nicht weit von Alcamo hinab in dem Gebirge, wo die Leute Griechisch sprächen oder gar Türkisch, so daß man sie gar nicht verstehen

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