Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
Ölbäumen und Orangengärten besetzt sind. Die hier wachsenden Orangen sind etwas kleiner als die übrigen in der Insel, aber sie sind die feinsten und wohlschmeckendsten, die ich gegessen habe; selbst die von Malta nicht ausgenommen, deren man eine Menge in Neapel findet. Gegen Abend kam ich in Alicata an, wo ich vor der Stadt zwei sehr wohlgekleidete Spaziergänger antraf, die mich zu sich auf eine Rasenbank einluden und in zehn Minuten mir meine ganze Geschichte abgefragt hatten. Wir gingen zusammen in die Stadt; ich halte sie für die beste, die ich nach Palermo bis jetzt noch auf der Insel gesehen habe. Das Wirtshaus, das ich fand, war ziemlich gut, ich hatte also nicht Ursache, dem Marchese Frangipani, an den ich empfohlen war, beschwerlich zu fallen. Indessen gab ich doch meinen Brief ab, und er nahm mich mit vieler Artigkeit in seinem ziemlich großen Hause auf, wo ich eine ansehnliche Gesellschaft fand. Man nötigte mich, mit den Damen etwas Französisch und mit den geistlichen Herren, deren einige zugegen waren, Lateinisch zu sprechen. Als man sich zum Spiele setzte –
c'est partout comme chez nous –
und ich daran nicht teilnehmen wollte noch konnte, da ich nie ein Kartenblatt anrühre, empfahl ich mich und befand mich in meinem Wirtshause recht wohl. In der schönsten Abenddämmerung machte ich noch einen Spaziergang an dem Strande und sah der Fischerei zu. Die hiesige Reede muß für die Schiffe nicht viel wert sein, soviel ich von der Lage mit einem Überblick urteilen kann. Gleich vor Alicata, von Palma her, liegt ein am Meere sich herziehender Berg, der von den Gelehrten mit Grund für den Eknomos der Alten gehalten wird. Jenseits des Salzflusses oder des südlichen Himera – denn der nördliche fließt bei Termini – ist ein anderer Berg, dessen Name, glaube ich, Phalarius heißt, und diese beiden Berge paradieren in den karthagischen Kriegen. Der Eknomos soll nach der Erklärung einiger seinen Namen davon haben, weil der agrigentinische Tyrann Phalaris den Perillischen Stier hier aufgestellt haben soll. Dieses scheint aber mehr auf den Phalarius' zu passen. Wenn Du mir erlaubst, eine Konjektur zu machen, so will ich annehmen, daß der Eknomos deswegen so genannt worden sei, weil er ganz allein, isoliert, von der ganzen übrigen Bergkette rund herum abgesondert liegt; die andern Berge hängen in einem großen Amphitheater alle zusammen. Der griechische Name, deucht mir, könne dies bedeuten: ek toy nomoy ton allon oron keitai geolopos. Der Berg ist jetzt ziemlich gut bebaut, mit schönen Ölgärten und mehreren Landhäusern besetzt und gibt der Gegend ein sehr freundliches Ansehen. Links ist an dem Himera hinauf eine schöne, große Ebene mit Weizenfeldern, eine der besten, die ich je gesehen habe. Alicata ist der erste Ort, wo ich in Sizilien billig behandelt wurde.
Überall warnte man mich vor bösen Wegen und vorzüglich hier in Alicata, wo man sagte, daß die achtzehn Millien von hier nach Terra Nuova die schlimmsten in der ganzen Insel wären.
Sono cattiva gente
, hieß es; und
cattivo
war der ewige Euphemismus, wenn sie zu Ehre ihres Landes nicht Räuber und Banditen sagen wollten. Hier hat mich wahrscheinlich nur meine armselige Figur gerettet. Ich wandelte gutes Mutes am Strande hin, las Muscheln und murmelte ein Liedchen von Anakreon, machte mit meinen Gedanken tausend Circumherumschweife und blieb bei der schönen Idee stehen, daß ich hier nun vermutlich in die geloischen Felder käme; da sah ich von weitem drei Reiter, und zwar zu Pferde auf mich zu trottieren. Die Erscheinung eines Maulesels oder Esels ist mir in Sizilien immer lieber als eines Pferdes. Mir war etwas unreimisch, und ich nahm mir vor, so ernsthaft als möglich vor ihnen vorbeizugehen. Das litten sie aber nicht, ob sie es gleich auch mit ziemlichem Ernst taten. Sie waren alle drei mit Flinten bewaffnet, der Dolch versteht sich von selbst. Ich grüßte nicht ganz ohne Argwohn.
Man rief mir »Halt!«, und da ich tat, als ob ich es nicht gleich verstanden hätte, ritt einer mit Vehemenz auf mich zu, faßte mich beim Kragen und riß mich so heftig herum, daß das Schisma noch an meinem Rocke zu sehen ist. »Wer seid Ihr?« – Ein Reisender. – »Wo wollt Ihr hin?« – Nach Syrakus. – »Warum reitet Ihr nicht?« Es ist mir zu teuer; ich habe nicht Geld genug dazu. Einer meiner Freunde in Rom hatte mich in dem barocken Aufzuge gezeichnet, den ich damals machte, damit ich, wie er mir sagte, doch sagen könnte, ich
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