Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
ich mit den schönen Hesperiden nicht ganz enthaltsam war, da ich doch nun nicht hoffen durfte, Syrakusertrauben zu essen. Mir hat es gefallen in Lentini; und wenn die Leute daselbst krank werden, so sind sie wahrscheinlich selbst schuld daran, nach allem, was ich davon sehe. Ich war nun zweimal irregegangen und hielt es daher doch für besser, einen Mauleselführer zu nehmen. Er erschien, und wir machten bald den Handel, da ich nicht viel merkantilisches Talent habe und gewöhnlich gleich zuschlage. Nun wollte der Mensch die ganze Summe voraus haben; das fand ich etwas sonderbar und meinte, wenn er mir nicht traute, so müßten wir teilen. Damit war er durchaus nicht zufrieden; aber noch drolliger war sein Grund. Er meinte, wenn ich geplündert oder erschlagen würde, wie sollte er sodann zu seinem Gelde kommen? Das war mir zu toll; ich schickte ihn ärgerlich fort und ging mit meinem Schnappsack allein.
Von hier wollte ich endlich nach Syrakus; aber ich ging in den Mauleseltriften der Bergschluchten und Höhen und Täler abermals irre und kam, anstatt nach Syrakus, nach Augusta. Das erste Stündchen Weg war schön und ziemlich gut bebaut, aber sodann war einige Stunden nichts als Wildnis, wo rund umher Oleaster, fette Asphodelen und Kleebäume wuchsen. Eine starke Stunde vor Augusta fing die Kultur wieder an, und hier ist sie vielleicht am besten auf der ganzen Insel. Der Wein, den ich hier sah, wird ganz dicht am Boden alle Jahre weggeschnitten, und die einzige Rebe des Jahres gibt die Ernte. Das kann nun wohl nur hier in diesem Boden und unter diesem Himmel geschehen. Es ist ein eigenes Vergnügen, die Verschiedenheit des Weinbaues von Meißen bis nach Syrakus zu sehen, und wenn ich ein weingelehrter Mann wäre, hätte ich viel lernen können. Die Landzunge, auf welcher Augusta liegt, mit der Gegend einige Stunden umher, gehört zu dem üppigsten Boden der Insel. Vor der Stadt machte man Salz aus Seewasser, zu welcher Operation man einen großen Strich totes Erdreich brauchte. Nirgends habe ich so schwelgerische Vegetation gesehen als in dieser Gegend. Die Stadt ist ringsum vom Meere umgeben, und es führt nur eine ziemlich feste Brücke hinüber. Von der Landseite ist der Ort also gut genug verteidigt, und es würde eine förmliche Belagerung dazu gehören, ihn zu nehmen. Von der Seeseite scheint das nicht zu sein. Die wenigen Werke nach dem Wasser zu wollen nicht viel sagen. Die Stadt selbst ist nicht viel kleiner als die Insel Ortygia oder das heutige Syrakus. Ich wurde zum Stadthauptmann geführt, der meinen Paß besah und mir ihn sogleich ohne Umstände mit vieler Höflichkeit zurückgab. Hier wurde ich aus meinem Passe Don Juan getauft, welchen Namen ich sodann auf dem übrigen Wege durch die ganze Insel bei allen Mauleseltreibern durch Überlieferung behielt. Der Gouverneur oder Stadthauptmann, was er sein mochte – denn ich habe mich um seinen Posten weiter nicht bekümmert – bewirtete mich mit dem berühmten Syrakusischen Muskatensekt, den endlich dieser Herr wohl gut haben muß, und mit englischem Ale und Biskuit. Das Ale war gut und das Biskuit besser, und über den Wein habe ich keine Stimme. Mir war er zu stark und zu süß. Ein Perückenmacher, der in dem Hause des Stadthauptmanns war, führte mich geraden Weges in sein eigenes, bewirtete mich ziemlich gut und ließ mich noch besser bezahlen. Dafür wurde ich aber so viel beexzellenzt, als ob ich der erste Ordensgeneral wäre, der den großen päpstlichen Ablaß auf hundert Jahre herumtrüge. Man erzählte mir, daß vor einigen Monaten ein Deutscher mit seiner Frau aus Malta durch Sturm hier einzulaufen genötigt worden sei und, da er keinen Paß gehabt, zwanzig Tage habe hier bleiben müssen, bis man Befehl von Palermo eingeholt habe. Solche Guignons können eintreten!
Um nicht noch einmal in den Bergen herumzuirren, nahm ich nun endlich einen Maulesel mit einem Führer hierher nach Syrakus. Ich hatte eine große Strecke Weges an dem Meerbusen wieder zurückzumachen. Solange ich mich in der Gegend von Augusta befand, war die Kultur ziemlich gut, aber sowie wir Syrakus näher kamen, ward es immer wüster und leerer. Der Ätna, der über die andern Berge hervorragte, rauchte in der schönen Morgenluft. Der Mauleseltreiberpatron hatte mir zum Führer einen kleinen Buben mitgegeben, der sich, sobald wir heraus waren, auf die Kruppe schwang, mir einen kleinen eisernen Stachel zum Sporn gab und so mit mir und dem Maulesel über die Felsen hintrabte.
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