Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
Spaziergang wert wäre. Eine zweite Sumpfgegend hielt mich auf, sonst wäre ich doch wohl noch etwas weiter gegangen. Auf dem Rückwege setzte ich mich ein Viertelstündchen an die zwei Säulen, die für die Überreste von dem Tempel des Jupiter Olympius gelten. Es versteht sich, daß die Tempel des Göttervaters meistens auch eine schöne Aussicht gewähren; hier ist sie herrlich. Indem ich sie genoß, setzte ich mich in die Zeit zurück, wo Dionysius ebenso willkürlich den Haushofmeister der Olympier als den Zuchtmeister der Sterblichen machte. Und die Geschichte des Mantels und Bartes ist ebenso charakteristisch als des Dichters, der seine Verse nicht loben wollte. Als ich wieder über den Anapus herüber war, dachte ich gerade nach Neapolis herauszuschneiden und so einen etwas andern Weg zurückzunehmen. Die Sonne stand noch nicht ganz am Rande, ich sah alles vor mir und dachte den Gang noch recht bequem zu machen. Aber o Syraka! Syraka! An solchen Orten sollte man durchaus mit der Karte in der Hand gehen. Ehe ich mir's versah, war ich im Sumpfe; ich dachte es zu zwingen, und kam immer tiefer hinein! ich dachte nun rechts umzukehren, um keinen zu großen Umweg zu machen, und da fiel ich denn einige Male bis an den Gürtel in noch etwas Schlimmeres als Wasser. Es ward Abend, und ich fürchtete, man möchte das Tor schließen, wo man denn ebenso unerbittlich ist als in Hamburg. Endlich arbeitete ich mich doch mit vielem Schweiß in einem nicht gar erbaulichen Aufzug wieder auf den Weg und kam so eben vor Torschluß herein. Mein Franzose, der auf mich in meinem Wirtshause wartete, war schon meinetwegen in Angst und erzählte mir nun Wunderdinge von dem Sumpfe. Vor einiger Zeit, als die Franzosen hier waren, hatten einige Offiziere gejagt. Einer der Herren verläuft sich auf einem kleinen Abstecher in den Syraka, denkt wie ich, ist aber nicht so glücklich und sinkt bis fast unter die Arme hinein. Er kann sich nicht herausbringen, ruft umsonst und feuert mit seinem Gewehr um Hilfe, darauf kommen seine Kameraden und müssen ihn nach vielem vergeblichen Rekognoszieren von allen Seiten mit Stricken herausziehen. Laß Dir es also nicht einfallen, wenn Du rechts am Anapus spazieren gehst, gerade hinüber nach der schönen Anhöhe zu gehen; bleib hübsch auf dem Wege, sonst kommst Du wie wir in eine schmutzige Tiefe, in den Syraka.
Eben komme ich von einem Spazierritte mit Landolina zurück. Der Mann verdient ganz das enthusiastische Lob, das ihm mehrere Reisende geben, ich habe es an mir erfahren. Er ist einige Male mit wahrhaft freundschaftlicher Teilnahme mit mir weit herumgeritten und gegangen. Du weißt, daß er Ritter ist, und er hatte versprochen, mich zu Pferde in meinem Quartier abzuholen. Ich hatte mir also auch einen ordentlichen Gaul bestellt, so stattlich, als man ihn in Syrakus finden konnte, um dem Manne durch meine zu barocke Kavalkade nicht Schande zu machen. Wir ritten weit hinaus bis nach Epipolä, wo wir unsre Pferde ließen und nach den äußersten Festungswerken der alten Stadt über viele Felsen zu Fuße gingen. Hier besah ich mit dem besten Führer, den Du vermutlich in ganz Sizilien in jeder Rücksicht finden kannst, die Schlösser Labdalum und Euryalus. Die ausführlichere Beschreibung mit dem Plan magst Du bei Barthels sehen; alles würde doch bei mir wie bei ihm Landolina gehören. Wir waren schon weit umhergestiegen und setzten uns hier auf eine der höchsten Stellen der alten Festung nieder, um rund um uns her zu schauen. Ich halte dieses halbe Stündchen für eines der schönsten, die ich genossen habe, wenn ich nur die Melancholie herauswischen könnte, die für die Menschheit darin war. Von dieser Spitze übersah man die ganze große, ungeheure Fläche der ehemaligen Stadt, die nun halb als Ruine und halb als Wildnis daliegt. Rechts hinunter zog sich die alte Mauer nach Neapolis, dem Syraka und dem Hafen; links hinab ging bis ans Meer die gegen vier Millien lange berühmte neuere Mauer, welche Dionysius in so kurzer Zeit gegen die Karthager aufführen ließ. Von beiden sieht man noch den Gang durch die Trümmern und hier und da noch mächtige Werkstücke aufgefügt. Tief hinunter nach der Insel, die jetzt das Städtchen ausmacht, liegen die Szenen der Größe des ehemaligen Syrakus, die nunmehr kaum das Auge auffindet. Rechts kommt der Anapus in dem Tale zwischen den Bergen hervor, und weiter hin jenseits zieht sich eine lange Kette des Hybla rund um die Erdspitze herum. Hinter uns lag
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