Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
gegen Abend, da wurde ich geweckt. Mein Zimmer, wenn man das Loch so nennen kann, war voll Leute aller Art, einige stattlich gekleidet, andere in Lumpen. Vor mir stand ein Mann im Matrosenhabit, der eine förmliche lange Inquisition mit mir anhob.
Er war ganz höflich, so viel Höflichkeit nämlich bei so einem Benehmen stattfinden kann, fragte erst Italienisch, sprach dann etwas Tirolerdeutsch, da er hörte, daß ich ein Deutscher sei; dann Französisch, dann Englisch und endlich Latein. Die Anwesenden machten Ohren, Maul und Nase auf, um so viel als möglich zu kapieren. Man war geneigt, mich für einen Franzosen zu halten, fragte, ob ich der Republik gedient habe, und so weiter, aber über die eigene Stimmung gegen die Franzosen gaben sie selbst nicht das geringste Merkzeichen. Der Mann im Matrosenkleide sagte, ich müßte Franzose sein, weil ich das Französische so gut spräche. Das konnte nur ihm so vorkommen, weil er es sehr schlecht sprach. Das Examen ward mir endlich sehr widerlich und lästig, so wie ein Bär am Pfahl zu stehen und mich auf diese Weise beschauen und vernehmen zu lassen. Ich sagte also bestimmt: »Wenn ich verdächtig bin, mein Herr, so bringen Sie mich vor die Behörde, wo ich mich legitimieren werde; oder wenn Sie selbst von der Polizei sind, so sprechen Sie offen, damit ich mich danach benehmen kann! Erlauben Sie mir übrigens etwas Ruhe in einem öffentlichen Hause, wo ich bezahle; es ist warm, und ich bin müde.« Das sagte ich italienisch so laut und gut ich konnte, damit es alle verstehen möchten; einer der Herren bat mich höflich um Verzeihung, ohne weiter eine Erklärung zu geben; die Neugierigen verloren sich, und nach einigen Minuten war ich wieder allein auf meiner Haferspreu. Den Abend, nachdem ich bei einigen Seefischen sehr gut gefastet hatte, brachte man mir Heu; und ein gutmütiger Tabuletkrämer aus Katanien gab mir zur Decke einen großen Schafpelz, welcher mir lieber war als ein Bett, das man nicht haben konnte.
Den andern Morgen ging ich über den Fluß Gela und durch ein herrliches Tal nach Santa Maria di Niscemi hinauf. Dieses Tal mit den Partien an dem Flusse links und rechts hinauf machte vermutlich die Hauptgruppe der geloischen Felder aus. Wenn auch Gela nicht gerade da stand, wo jetzt Terra Nuova steht, so lag es doch gewiß nicht weit davon, und höchstwahrscheinlich nur etwas weiter bergabwärts nach dem Flusse hin, wo noch jetzt einige alte Überreste von Gemäuern und Säulen zu sehen sein sollen. Das Tal ist auch noch jetzt in der äußersten Vernachlässigung sehr schön, und es läßt sich begreifen, daß es ehemals bei der Industrie der Griechen ein Zaubergarten mag gewesen sein. Hier in Niscemi ist es wahrscheinlich, wo vor mehrern Jahren ein merkwürdiger Erdfall geschehen ist, den Landolina beschrieben hat.
Von hier aus wollte ich nach Noto gehen und von dort nach Syrakus. Aber wenn man in Sizilien nicht bekannt ist und ohne Wegweiser reist, so bleibt man, wenn man nicht totgeschlagen wird, zwar immer in der Insel, aber man kommt nicht immer geraden Weges an den bestimmten Ort. Einige Meilen in der Nachbarschaft der Hauptstadt ausgenommen, kann man eigentlich gar nicht sagen, daß in Sizilien Wege sind. Es sind bloß Mauleseltriften, die sich oft verlieren, daß man mit ganzer Aufmerksamkeit den Hufen nachspüren muß. Der König selbst kann in seinem Königreich nicht weiter als nach Montreal, Termini und einige Meilen nach Agrigent zu im Wagen gehen; will er weiter, so muß Seine Majestät sich gefallen lassen, einen Gaul, oder sicherer einen Maulesel zu besteigen. Das läßt er denn wohl bleiben, und deswegen geht es auch noch etwas schlechter als gewöhnlich anderwärts, wo es die Fürsten nur sehr selten tun. Man riet mir, von Santa Maria nach Caltagirone zu gehen; das tat ich als ein Wildfremder. Aber kaum war ich ein Stündchen gegangen, als ich in einen ziemlich großen Wald perrennierender Eichen kam, wo ich alle Spur verlor, einige Stunden in Felsen und Bergschluchten herumlief, bis ich mich endlich nur mit Schwierigkeit wieder links orientierte, indem ich den Gesichtspunkt nach einer hohen Felsenspitze nahm. Hier fand ich vorzüglich schöne Weiden in den Tälern und große, zahlreiche Herden. Um Caltagiron herum ist die Kultur am leidlichsten, man kann sie noch nicht gut nennen. Die Stadt, welche auf einer nicht unbeträchtlichen Höhe liegt, hat rund umher schöne angrenzenden Täler, und es herrscht hier für Sizilien noch eine
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