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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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Orte, wo Cicero das Grab des Archimedes gefunden haben will. Wir fanden freilich nichts mehr, aber es ist doch schon ein eigenes Gefühl, daß wir es finden würden, wenn es noch da wäre, und das vermutlich in dieser kleinen Peripherie der große Mann begraben liegt. Nun gingen wir durch den Begräbnisweg hinauf und oben rechts herum auf der Fläche von Neapolis fort. Es würde zu weitläufig werden, wenn ich Dir alle die verschiedenen Gestalten der kleinen und größern Begräbniskammern beschreiben wollte. Wir gingen zu den Latomien, und zwar zu dem berüchtigten Ohre des Dionysius. Akustisch genug ist es ausgehauen, und man hat ihm nicht ohne Grund diesen Namen gegeben. Ein Blättchen Papier, das man am Eingange zerreißt, macht ein betäubendes Geräusch, und wenn man stark in die Hand klatscht, gibt es einen Knall wie einen Büchsenschuß, nur etwas dumpfer. Wir wandelten durch die ganze Tiefe und darin hin und her. Landolina zeigte mir vorzüglich die Art, wie es ausgehauen war, die ich Dir aber als Laie nicht mechanisch genau beschreiben kann. Man hob sich von unten hinauf auf Gerüsten, wovon man noch die Vertiefungen in dem Felsen sieht, und erhielt dadurch eine Höhlung von einem etwas schneckenförmigen Gang, der ihm wohl vorzüglich die lange Dauer gesichert hat. Bei Neapel habe ich, wenn ich nicht irre, etwas Ähnliches in den Steingruben des Posilippo bemerkt. Nirgends ist aber die Methode so vollendet ausgearbeitet wie hier in diesem Ohre. Ob Dionysius dasselbe habe hauen lassen, ließe sich noch bezweifeln, obgleich Cicero der Meinung zu sein scheint; aber daß er es zu einem Gefängnisse habe einrichten lassen, hat wohl seine Richtigkeit. Cicero nennt es einen schrecklichen Kerker. Hin und wieder sieht man noch Ringe in dem Felsen, in der Höhe und an dem Boden, und auch einige durchbrochene Höhlungen, in denen Ringe gewesen sein mögen. Diese gelten für Maschinen, die Gefangenen anzuschließen. Wer kann darüber etwas bestimmen? Oben am Eingange ist das Kämmerchen, welches ehemals für das Lauscheplätzchen des Dionysius galt. Es gehört jetzt viel Maschinerie dazu, von unten hinauf oder von oben herab dahinzukommen. Ich bin also nicht darin gewesen. Landolina erklärt das Ganze für eine Fabel, die Tzetzes zuerst erzählt habe. Dieses Behältnis hat durch Erdbeben sehr gelitten; an der tiefen Höhle selbst aber, oder an dem eigentlichen Ohre, ist kein Schade geschehen. Gleich am Eingange hat Landolina eine eingestürzte Treppe entdeckt, die er mir zeigte. Die Stufen in den zusammengestürzten Felsenstücken sind zu deutlich, und es läßt sich wohl etwas anderes nicht daraus machen als eine Treppe. Man nimmt an, diese habe durch einen verdeckten Gang in das Gefängnis geführt, durch welche der Tyrann selbst Gefangene von Bedeutung hierher brachte. Mit dem Dichter, der seine Verse nicht loben wollte, wird er wohl nicht so viel Umstände gemacht haben. Landolina sagte mir, er habe sich vor einigen Jahren durch Maschine mit einigen Engländern in das obere kleine Behältnis bringen lassen und eine Menge Experimente gemacht; man höre aber nichts als ein verworrenes, dumpfes Geräusch.
    Die Spießbürger von Syrakus lassen sich aber den hübschen Roman nicht so leicht nehmen, und gestern Abend räsonnierte einer von ihnen gegen mich bei einer Flasche Syrakuser verfänglich genug darüber, ungefähr so: »Wozu soll das Kämmerchen oben gewesen sein? Zum Anfange einer neuen Steingrube, wozu man es gewöhnlich machen will, ist es an einem sehr unschicklichen Orte, und rund umher sind weit bessere Stellen. Die Treppe, welche Landolina selbst entdeckt hat, führt gerade dahin, kann nach der Lage nirgends anders hinführen. Wenn man jetzt oben nichts deutlich mehr hört, so ist das kein Beweis, daß man ehedem nichts deutlich hörte; die Erdbeben haben an dem Eingange vieles zertrümmert und eingestürzt, also auch sehr leicht die Akustik verändern können. Man sagt, Dionysius habe in dieser Gegend der Stadt keinen Palast gehabt. Zugegeben, daß dieses wahr sei, so war dieses desto besser für ihn, allen Argwohn seiner nahen Gegenwart zu entfernen. Er konnte deswegen bei wichtigen Vorfällen sich immer die Mühe geben, von Epipolä hierher zu kommen und zu hören, ein Tyrann ist durch seine Spione und Kreaturen überall. Dionysius war keiner von den bequemen sybaritischen Volksquälern. Damit leugne ich nicht, daß er draußen in Epipolä noch mehrere Gefängnisse mag gehabt haben, man hatte in Paris

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