Special Der Zauberbann
Holzbalken.
»Weißt du was?«, fragte sie. »Ich hätte richtig Lust, einmal wieder Verstecken zu spielen. Das macht hier auf dem Hof bestimmt eine Menge Spaß!«
Zuerst suchte Tim nach Sarah, dann Sarah nach Tim. Anschließend war er wieder an der Reihe, bis zehn zu zählen.
»Würdest du bitte ausnahmsweise dieses eine Mal ganz langsam zählen?«
»Wenn es unbedingt sein muss! Ich werde dich ja trotzdem finden!« Tim drehte sich um und hielt sich seine Augen zu.
»Oh nein, so schnell wirst du mich diesmal wohl nicht finden!«, säuselte Sarah, als sie an der Pferdekoppel vorbei und hinaus auf die weiten Wiesen lief.
Ob er wohl schon mit dem Zählen fertig war? Sie hatte ein größeres Stück zurückgelegt und blieb nur ein paar Sekunden stehen, um ihren heftigen Atem zu beruhigen.
Sarah warf einen kurzen Blick zum Hof zurück, damit sie sich vergewissern konnte, ob Tim sie vielleicht bereits entdeckt hatte und verfolgte. Da er jedoch nicht zu sehen war, lief sie geradewegs weiter bis zum Wildbach. Völlig aus der Puste kam sie bei der schmalen Holzbrücke an, die über das lebhaft plätschernde Gewässer hinüber zum Fichtenwald führte.
»Ich werde ja nicht hineingehen, sondern am Waldrand bleiben, da kann mir doch nichts Schlimmes passieren!« Wie vom Wald magisch angezogen überquerte Sarah die Brücke. Als sie drüben beim Gehölz ankam, versteckte sie sich hinter einem breiten Tannenbaum.
Hier wird mich Tim mit Sicherheit nicht vermuten, dachte sie . Er wird sich wundern, wenn ich ihm nachher erzähle, wo ich gewesen bin! Ein bisschen werde ich noch warten, dann laufe ich zu ihm zurück. Er soll mich ruhig noch eine Weile suchen müssen!
Doch plötzlich hörte sie ganz aus der Nähe ein Flüstern und leises Kichern. Ihr Atem stockte. Sie drehte sich um und guckte hinter das Gebüsch, konnte aber nichts entdecken.
»Ist hier jemand?«
Wieder war nur ein Flüstern zu hören.
Vorsichtig ging sie einige Schritte weiter in den Wald. Wer mochte sich hier verbergen? Sie folgte den Geräuschen und vergaß für einen Moment das Versteckspiel. Und dann bekam sie von hinten einen kräftigen Stoß und fiel zu Boden. Jemand fesselte sie an den Händen und Füßen. Als Sarah vom Sturz noch etwas benommen aufblickte, sah sie in die braunhäutige Fratze einer grässlichen, stinkenden Kreatur, die sich mit einem listigen Grinsen zu ihr herabbeugte. Das Wesen hatte lange, spitze Ohren und eine große, krumme Nase. Feuerrote Augen funkelten gefährlich unter den schwarzen, buschigen Augenbrauen hervor.
Sarah war vor Angst wie gelähmt und wollte schreien, doch im selben Moment drückte ihr eine kräftige Pranke, deren lange Krallen sich fast in ihre Wange bohrten, den Mund zu.
»Na, was haben wir denn da Schönes?«, fragte ein Zweiter aus der räuberischen Bande und griff nach Sarahs goldener Armbanduhr.
»Da ist ja noch ein Kettchen und ein niedlicher, kleiner Ring!«, bemerkte ein Dritter, und schon nahmen sie ihr mit flinken Griffen die Schmuckstücke ab. Dann hüpfte die ganze Truppe spöttisch lachend zwischen den Fichten davon.
»Bitte bindet mich doch los!«, rief Sarah ihnen nach, doch die buckeligen, nur zwergengroßen Diebe kümmerten sich nicht um sie. Stattdessen lösten sie sich in einiger Entfernung mit einem Mal allesamt in Luft auf.
Sarah versuchte, sich aufzusetzen, doch ein starker Schmerz am Kopf zwang sie, sich sofort wieder hinzulegen.
Was sollte sie nur tun? »Kann mir denn niemand helfen?« Sie schrie aus Leibeskräften. »Hilfe!«
Während Sarah eine Weile erschöpft auf dem Waldboden lag und nichts außer den Geräuschen der Waldtiere und dem Knarzen der Hölzer vernahm, schwand ihre Hoffnung auf Rettung allmählich dahin. Schließlich fing sie an zu weinen.
»Warum bin ich auch so dumm gewesen und in den Wald gelaufen? Tim hatte mich doch davor gewarnt!« Vor Angst zitterte Sarah am ganzen Leib. In ihrem kurzärmeligen Kleidchen lag sie schutzlos und zusammengerollt auf dem kühlen Moosboden neben einem dicken Baumstamm.
Sarah wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie zwischen den Bäumen plötzlich erneut eine Bewegung wahrnahm. Sie blinzelte sich ihre von Tränen verschwommenen Augen klar und konnte kaum glauben, was sie da sah: Stumm vor Staunen beobachtete sie, wie einige schmetterlingsähnliche, schwalbengroße Geschöpfe auf sie zuflogen und dann über ihrem Kopf kreisten. Ein angenehmes Gefühl erwärmte beim Anblick des zauberhaften Schauspiels ihr Herz.
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