Special Der Zauberbann
mit bebender Stimme fort. »Sie wäre an dem hohen Fieber schon beinahe gestorben. Zum Glück kam der rettende Nebel, den nun alle Leute in der Stadt lobpreisen. Er hat auch gewissermaßen geholfen. Aber dann, als ich glaubte, sie würde ebenfalls vollständig gesund werden, da stellte sich heraus, dass ihre hohe Temperatur noch eine andere Ursache hatte. Tamara war nämlich während des verseuchten Regens mit ihrem Fahrrad unterwegs gewesen und auf der nassen Straße gestürzt. Dabei hatte sie sich beide Knie aufgeschlagen, das rechte wesentlich stärker als das linke. Die Wunden verheilten nicht, im Gegenteil, sie verschlimmerten sich immer mehr. Der Arzt sagte, das sei vermutlich deshalb so, weil das verpestete Regenwasser mit den blutenden Stellen in Kontakt gekommen sei. Die Entzündung hat an ihrem rechten Knie bereits den Knochen angegriffen.« Tante Betty brach schluchzend in Tränen aus. »Um ein Fortschreiten zu verhindern, soll ihr dieses Bein morgen abgenommen werden.«
»Das tut mir so leid.« Obwohl Sarah von ihrer Cousine schlecht behandelt worden war, legte sie Tante Betty tröstend die Arme um den Hals.
»Ich bin ja so froh, dass es wenigstens dir gut geht!«, sagte die Tante mit verschwommenen Augen. »Du bleibst doch jetzt hoffentlich hier und läufst nicht wieder weg?«
»Natürlich werde ich bei dir bleiben. Ich bin ja auch vor einem Jahr nicht absichtlich weggelaufen«, versuchte Sarah, die Tante zu beruhigen und erzählte ihr eine Kurzfassung dessen, was damals eigentlich geschehen war. Zum Glück hatte sie Tim an ihrer Seite, der alles bestätigen konnte. Und trotzdem schaute Tante Betty noch sehr zweifelnd drein.
»Wissen Sie denn nicht mehr, was die Leute hier in der Stadt seit vielen Jahren ab und zu munkeln?«, fragte Tim. »Zum Beispiel vom Jäger und seinen unheimlichen Begegnungen, die er in den tiefen Wäldern hatte. Und von den schimmernden, schmetterlingsähnlichen Wesen, die draußen auf den weiten Wiesen gesehen wurden. Zu diesen Beobachtern gehöre übrigens auch ich.«
»Stimmt! An diese Geschichten hatte ich gar nicht mehr gedacht. Anscheinend war all das Gerede doch nicht nur erfundenes Zeug!«, meinte Tante Betty immer noch ein wenig zweifelnd.
»Ich verbrachte eine sehr schöne Zeit im Elfenreich«, fuhr Sarah dann fort. »Der König und seine Gemahlin haben mich liebevoll aufgenommen und wie ihre eigene Tochter behandelt. Auch meine beiden Stiefschwestern waren immer nett zu mir.«
»Wenigstens ist es dir nicht schlecht ergangen.« Tante Betty schnäuzte sich kräftig die vom Weinen verstopfte Nase.
Doch plötzlich wurde ihre Unterhaltung jäh von einem kläglichen Hilfeschrei unterbrochen, der aus Tamaras Zimmer herunterschallte.
»Um Himmels Willen! Sie hat bestimmt wieder Schmerzen!« Schnell lief Tante Betty über die Treppe hinauf zu ihrer Tochter.
Sarah und Tim folgten ihr.
Oh je! Sie sieht ja wirklich schlimm aus, dachte Sarah und versuchte, ihren Schreck zu verbergen, als sie vor dem Bett ihrer Cousine stand.
Da lag Tamara mit Schweißperlen auf der Stirn. Ihre Augen waren von dunklen Schatten umrandet, das Gesicht war schmal und blass.
Tante Betty flößte ihr ein starkes Schmerzmittel ein.
Tamara blickte Sarah mit matten Augen an, und es war das erste Mal, dass keine böse Reaktion von ihr kam.
Zum Gruß legte Sarah eine Hand auf die der Cousine. Es war ein seltsames Gefühl, als würde sie in diesem Moment ihrem Todfeind die Hand reichen.
Ob Tamara jetzt auch so fühlt?, fragte sie sich. Da erhielt sie eine Erwiderung, auf die sie nicht gefasst war.
»Verzeih mir bitte, und hilf mir!«, hauchte Tamara und umklammerte dabei Sarahs Hand.
Gerade mich, die sie immer als Abschaum betrachtet hat, bittet sie!, wunderte sich Sarah. Als ob sie zu wissen scheint, dass ich ihr helfen könnte! Und da kam ihr ein rettender Gedanke. »Natürlich! Tim und ich, wir können dir vielleicht tatsächlich helfen!«, redete sie Tamara gut zu.
Tim, der daneben stand, schaute Sarah zunächst fragend an, doch dann schien auch er zu verstehen. Er nahm Sarah bei der Hand und zog sie ein Stück zur Seite. »Weißt du eigentlich, dass du ein sehr gutes Herz hast!«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Sie war immer so gemein zu dir, und du hilfst ihr ohne zu zögern. Und was ist, wenn sie wieder zu dem falschen Biest wird und dich erneut ertränken will?«
»Das Risiko muss ich eben eingehen. Ich kann sie nicht so leiden sehen, und vor allem möchte ich nicht, dass sie ihr Bein
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