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Spekulation in Bonn

Titel: Spekulation in Bonn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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getaner ›Knüpfarbeit‹ doch aus der Telefonzelle am Reha-Zentrum bei Wanitzky angerufen. Fischbach wird ins Kalkül gestellt haben, daß sein Anruf im ›Dohlenhaus‹ von den respektablen Zeugen registriert werden konnte. – Ein sehr schönes doppeltes Alibi! Es ist doch jammerschade, daß man die Wahrheit nicht mal aus einem Ehrenmann herausprügeln darf – auch keine Daumenschrauben?«
    »…mit dem Kopf bitte«, bremste Freiberg den aufkommenden Eifer.
    Lupus nickte ergeben. »Spekulation gut, Fakten mangelhaft. Wie kommen wir also weiter?«
    »Wir überlassen Bonn den Demonstranten und gönnen uns ein ruhiges Wochenende. Sollen sich alle Beteiligten in Sicherheit wiegen. Peters dürfen wir allerdings nicht hängenlassen. Darum übernimmt jeder von uns ein paar Stunden Beobachtung am ›Dohlenhaus‹ – am besten mit Frau oder Freundin. Das wird ein Sonntag der Idylle unter alten Eichen und Buchen, mit Picknickkorb und ameisensicherer Wolldecke. – Ich möchte zu gern wissen, wer dort ein und aus geht.«
    Lupus hätte sich lieber an stärkeren Aktivitäten beteiligt.
    »Sollten wir nicht doch Niki und Fischbach in die Zange nehmen? Chef, überlaß sie mir; die quetsche ich aus wie reife Zitronen.«
    Freiberg winkte mit dem ausgestreckten Zeigefinger ab. »So nicht, mein Freund. Dein Rechtsstaat wäre in Gefahr.«
    »Aber mir wäre wohler, und wir kämen weiter.« Lupus richtete sich ärgerlich auf. Er war ganz und gar nicht einverstanden mit seinem Kommissar, und es klang wenig scherzhaft, als er sagte: »Fängst du auch schon an, lau zu baden, wie Onkel Herbert seinem Kanzler Willy vorgehalten hat – oder hältst du den Fall etwa für gelöst?«
    Freiberg blieb heiter. »Halten wir es mit Radio Eriwan: ›Im Prinzip ja.‹ – Aber es wäre für das Gemeinwohl besser, statt der Gedanken im Kopf die Täter hinter Gittern zu haben.«

 
    16
     
     
     
    Das fröhliche Wochenende war durch die Demonstration doch ein wenig getrübt. Die angereisten Menschenmassen wirkten beunruhigend auf die Bürger der Bundeshauptstadt; und nicht jedes Geschäft hatte Stahlrollos oder Rollgitter, um die Eingänge und Fensterscheiben zu schützen. Nachdem am Sonnabend das erste Glas zu Bruch gegangen war, hatten ganz Vorsichtige in der Nacht ihre Schaufenster mit Brettern zugenagelt. Der Polizeichef fand eine bessere Methode, Unbill von der immer schutzbedürftigen Bürgerschaft abzuwenden; er machte die Innenstadt für die Demonstranten kurzerhand durch eine Hundertschaft dicht. So fehlten die bunten Figuren im Schlabberlook in den Gassen – und Bonn sah ziemlich vernagelt aus.
    Kölsch und Wein hatten dazu beigetragen, die Friedens- und Umweltfreunde heiter zu stimmen. Wer schon die weite Reise bezahlt hatte, um gegen die Brunnen- und Flußvergifter zu demonstrieren, wollte auch Vater Rhein in seinem schmutzigen Bett sehen. So zog man mit Kind und Kegel zum Alten Zoll und zur Kennedy-Brücke, hängte Transparente an das Geländer und warf Blumensträuße ins Wasser. Auf der Hofgartenwiese, wo schon die Bonner Königshusaren vor dem Kaiser paradiert hatten, wurde ein schreckliches Zukunftsszenarium an die – symbolische – Wand gemalt, wurden Manifeste verlesen und Würstchen verkauft; nur die rollenden Toilettenhäuschen waren knapp – gepinkelt wurde in den Büschen.
    Den Politikern war es ohnehin egal, was sich in Bonn vollzog, denn sie waren längst daheim oder unterwegs zu neuen – sauberen – Ufern. So hatte die Gunst der Stunde – erkauft mit dem Frust der Hundertschaft, die keine Gelegenheit gefunden hatte, die Staatsgewalt in Szene zu setzen – wieder einmal dazu beigetragen, eine Großdemonstration zu einem Happening mit einem Hauch von Karneval werden zu lassen. Die Kinder des Rheinlands riefen fröhlich: »De Zoch kütt!« und »Kamelle! Kamelle!« Die Polizei war sehr zufrieden, und die Demonstranten hatten die Überzeugung gewonnen, dem Altvater Rhein etwas Gutes getan zu haben, schien er sich doch schon viel wohliger in seinem Bett zu wälzen. Die Massen waren »echt« beeindruckt von ihrer Stärke – und die Bonner von den Tonnen Unrat, welche die Kehrmännchen schnellstens abtransportierten. Man wollte doch sauber bleiben.
    Für die Mordkommission sah der Tag ganz anders aus. Auf jeden Fall war gewährleistet, daß ihre Beamten nicht zu Sonderdiensten herangezogen werden konnten. Ahrens hatte nach Freibergs Überlegungen einen Zeitplan für die Beobachtung des »Dohlenhauses« aufgestellt. Lupus

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