Spekulation in Bonn
zwei halbe Eier und eine große Gewürzgurke ausgepackt.
Ahrens hatte sich zu ihr auf die Decke gesetzt.
»Greif zu, Pfadfinder!« ermunterte sie ihn. »Ich habe Pappteller und Plastikbestecke genommen; die klappern nicht so.«
Als Ahrens sie an sich ziehen wollte, bremste sie: »Nicht doch, du bringst alles durcheinander; laß uns erst essen…«
Er strahlte sie an. »Recht hast du – und danach wird gepicknickt.«
»Du Strolch«, flüsterte sie. »Wir sind im Dienst. Was ist, wenn gerade dann etwas passiert?«
Er warf ihr eine Kußhand zu. »Kommissarin ehrenhalber, nur keine Panik. Stärken wir uns erst einmal, und dann sehen wir weiter.«
Beide langten kräftig zu. Anders als ihr Kollege hielten sie diesen Tag für einen der besten der Woche. Warm lag die Sonne auf dem Laubdach des Westhangs; überall zirpelte es in den Bäumen, und Drosseln scharrten im Laub des Vorjahres.
Als Nachspeise gab es Mousse au Chocolat aus einem Plastikbecher. Fräulein Kuhnert hob fragend die Thermosflasche hoch.
»Den Kaffee trinken wir später«, dämpfte Ahrens den Hausfraueneifer. »Du könntest dich oben herum ruhig frei machen und die Natur genießen. – Hier sieht uns keiner.«
Sie antwortete mit einem »Hm«, räumte das Plastikgeschirr zurück in die Tragetasche und drückte ihm dienstlich flüchtig einen Kuß auf die Nase. Sie versuchte seinen Kopf in Richtung »Dohlenhaus« zu drehen. »Du sollst beobachten – und zwar dort!« Dabei ließ sie es geschehen, daß seine Hände ihr halfen, den BH zu lösen. »Das tut gut«, flüsterte sie erleichtert. »Seit ich die Pille nehme, ist alles viel strammer geworden.«
Plötzlich verkrampfte sich seine liebkosende Hand – um gleich danach zum Fernglas zu greifen.
»Sieh doch – die kommen raus!«
Wanitzky trat als erster vor die Tür. Er trug eine Leinenmütze mit langem Schirm und Bermudashorts. Krauses schwarzes Haar bedeckte die Brust seines massigen Körpers, und Speckwülste umrundeten die Hüften, als ob sie den recht strammen Bauch zu halten hätten. Auf der offensichtlich neu angelegten Terrasse vor dem »Dohlenhaus« – die vom Beobachtungsplatz voll eingesehen werden konnte – richtete er die Hollywood-Liegen zur Sonne aus und schob den Serviertisch zurecht.
Der »Auftritt der Dame« bot dem Auge alles; nichts sozusagen, wenn man von dem Frottiertuch absah, das sie über dem Arm trug und gleich über das Kopfteil der Liege warf. Der winzige Tanga aus Goldfäden war eher Verheißung als Verhüllung.
»Ilka Ritter – Donnerwetter!« flüsterte Ahrens. »Die hat’s!« Dabei stellte er über den Mitteltrieb die Schärfe nach.
»Die kannst du auch ohne technische Hilfsmittel beobachten«, zischte Fräulein Kuhnert ihn an und nahm ihm das Glas aus der Hand. Nach einem Blick hindurch kam ihr Kommentar zu den Vorgängen auf der Terrasse: »Ist das ein haariger Wanst! Jetzt grabscht er auch noch an ihrem Kunstwerk aus Silikon herum!«
»Die sind echt – und fast so gut wie deine«, stellte Ahrens sachkundig fest.
Er konnte die stimulierende Wirkung des Bildes dort unten auch ohne Fernglas nicht leugnen. Mit der Zweitkamera und dem 200-Millimeter-Tele schoß er einige Aufnahmen und dachte dabei weniger an den Mordfall Korbel als an – na ja – an den Zwang, sich jetzt besonders still verhalten zu müssen.
Auf der Terrasse verstummten die Gespräche. Wanitzky zog die Mütze über das Gesicht. Eine Weile später rutschte seine Hand von den Hügeln ab, und er schlief ein. Ilka Ritter richtete sich auf, musterte den Mann an ihrer Seite, schüttelte den Kopf, legte sich zurück und streckte ihren Körper der Sonne entgegen.
Ahrens glaubte, nunmehr die Situation im Griff zu haben und zum »Picknick« übergehen zu dürfen.
»Bist du verrückt! – Jetzt?« fauchte seine Octopussy ihn an.
»Du weißt doch, daß ich nicht ruhig bleiben kann. Wenn die uns hier entdecken, ist alles im Eimer. – Also, nimm schon das Glas und behalte die beiden im Auge.« Damit streckte sie sich auf der Decke aus, ähnlich der Frau, die Ahrens im Okular erfaßte.
Für den Beobachter wurde es eine quälende Folge von langen Minuten. Fleischbeschau ganz nah – und doch so fern, damit wurde seine Jugend nur schwer fertig.
Ilka Ritter schien von dem Schläfer an ihrer Seite bald genug zu haben. Sie ging ins Haus und kam mit einem Taschenbuch in der Hand zurück. Mit einem Tuch deckte sie die empfindlichen Hügel ab und fing an zu lesen.
Die polizeiliche Beobachtung begann
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