Spekulation in Bonn
langweilig zu werden.
Nach einiger Zeit richtete sich Fräulein Kuhnert auf. Auch Ahrens hörte das Motorengeräusch. Er sah, daß Ilka Ritter Wanitzky anstieß. Beide schienen nicht überrascht zu sein; sie machten auch keine Anstalten, sich etwas überzuziehen.
Langsam rollte ein großer Mercedes auf die geschlossene Eingangspforte in der Hofmauer zu und stoppte auf dem Wegstück, das von der Kamera auf dem Stativ erfaßt wurde. Schon hatte Ahrens den Knopf für den Fernauslöser in der Hand. Seine Gedanken an die Freuden des Picknicks waren verflogen. Ein kurzer Hupton, und Wanitzky näherte sich von der Terrasse, um das große Tor zu öffnen. Der Wagen fuhr in den Schatten der Kastanie und hielt neben dem BMW. Die Fahrzeugtüren schlugen auf, und Kai Fischbach und Martha Nikols stiegen aus. Eine lebhafte Begrüßung mit Küßchen rechts und links auf die Wangen folgte.
Ob es ein Zuviel an Sonne oder das Gefühl war, als einzige mit unten wenig und oben ohne herumzulaufen – Ilka Ritter verschwand im Haus und kam in heller Bluse zum pinkfarbenen Rock zurück.
Ahrens sah mit Enttäuschung, daß auch seine Kommissarin ehrenhalber in die Bluse schlüpfte und sie energisch zuknöpfte.
Kaum waren auf der Terrasse die Gläser mit dem Begrüßungsdrink geleert, da rollten noch zwei Fahrzeuge der Oberklasse an, ein grauer Rover und ein schilffarbener Mercedes mit Doppelstoßstangen. Beide hatten Bonner Kennzeichen. Dem Rover entstiegen ein Herr mittleren Alters und eine dunkelhaarige Begleiterin. Das mit dem Mercedes gekommene Paar schien deutlich jünger zu sein. Beide waren blond; neben ihrer Haarfülle wirkte sein Bürstenhaarschnitt besonders kurz und betonte seine sportliche Erscheinung.
Wanitzky bat mit einer Handbewegung einzutreten. So verschwand die Gruppe gestikulierend und scherzend im »Dohlenhaus«.
Ahrens hatte den Winder durchziehen lassen und noch einige Aufnahmen mit der Zweitkamera geschossen. Fräulein Kuhnert vermerkte die Vorgänge auf dem Laufzettel und notierte die Autonummern.
»Kennst du die vier, die zuletzt gekommen sind?« fragte sie.
Ahrens schüttelte den Kopf. »Nie gesehen. Die müssen überprüft werden.«
Der interessanteste Teil der Beobachtung schien für den Sonntag gelaufen zu sein. Aus den Fenstern klangen undeutliche Stimmen herüber und von Zeit zu Zeit ein dröhnendes Lachen.
Fräulein Kuhnert füllte zwei Pappbecher mit Kaffee aus der Thermosflasche. »Zum Wohl, mein Tugendbold!«
»Ziemlich lau«, stellte Ahrens fest, wobei offenblieb, ob er das Getränk oder die Eindrücke von den Vorgängen im »Dohlenhaus« meinte. – Jetzt wäre Gelegenheit gewesen, Versäumtes nachzuholen, doch die Stimmung war verflogen. Obwohl es keinen Grund dafür gab, entwickelte sich bei der Kommissarin im Ehrenamt ein Schuldgefühl, weil dieser Tag im »polizeilichen Frust« ausklang.
»Ich laufe noch mal um das Grundstück«, sagte Ahrens, »und bin so schnell wie möglich zurück.«
Sie sah ihn nicht sehr begeistert an.
»Keine Angst – dir passiert schon nichts. Notfalls mußt du laut schreien, das höre ich.«
»Phh«, machte sie, als er ging. Dann stützte sie sich auf die Ellenbogen und schaute mit starrem Blick zum »Objekt der Begierde« hinunter.
Ahrens kam bald zurück und brummelte, daß es eigentlich genug sei mit dem langweiligen Gammeldienst. »Ich gehe zur Straße hinunter; der Chef muß gleich kommen.«
»Laß mich das machen; dieses Herumhängen ist wirklich das letzte.« Fräulein Kuhnert wartete gar nicht erst eine Antwort ab.
Sie kletterte auf der dem »Dohlenhaus« abgelegenen Seite den Hang hinunter und erreichte über den halb zugewachsenen Waldweg die Straße, welche kurz vor Röttgen den Katzenlochbach überquert. Hier konnte sie endlich ausschreiten und sich den Distreß von der Seele laufen.
Auf dem Rückweg von der Brücke sah sie einen roten R4 in langsamer Fahrt heranrollen. Sie winkte lebhaft; die Autoscheinwerfer blinkten auf, und das Fahrzeug hielt. Freiberg öffnete die Beifahrertür, und Fräulein Kuhnert ließ sich aufatmend in die Polster fallen.
»Alles okay?« Freiberg warf ihr einen kurzen Blick zu und wendete den Wagen. »Wir fahren ein paar hundert Meter zurück. Hier möchte ich die Karre bei Dunkelheit nicht stehen lassen. – Nun erzählen Sie mal.«
Fräulein Kuhnert berichtete – verkürzt über das barbusige und haarige Schauspiel auf der Terrasse – eingehend über die unerwarteten Besucher und über die Pfiffigkeit, mit der
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